Hanna Salzenstein: Concerti per violoncello © Mirare
Mirare
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Album der Woche | 31.03. - 06.04.2025 - Hanna Salzenstein: "Concerti per violoncello"

Nach fast zehn Jahren als Mitglied des Barockquartetts Le Consort ist die Pariserin Hanna Salzenstein nun zusätzlich solistisch unterwegs. Auf ihren ersten beiden Alben erkundet sie das frühe italienische Cello-Repertoire. Im vergangenen Jahr nahm sie die Kammermusik in den Fokus, auf ihrem neuen Album "Concerti per violoncello" Werke mit Orchester. Sie begeistert darauf mit wunderschönem Ton und fein dosierter Virtuosität ebenso wie mit einer überragenden Programmgestaltung.

Der Anreiz, sich mit dem frühen Solo-Repertoire ihres Instruments auseinanderzusetzen, entstand bei Hanna Salzenstein insbesondere durch die Aufnahme eines Sonatensatzes von Antonio Vivaldi mit Le Consort. Sie erklärt: "Es schien mir, als dränge sich das Cello durch die Tür und riefe: Ich möchte eine größere Solo-Rolle haben!"

Repertoiresuche

Das Albumprojekt mit Cellokonzerten begann für die Solistin mit der Suche nach geeigneten Kompositionen. Bei den Cellosonaten für ihr erstes Album sei dies einfacher gewesen, weil mehr Werke dieser Art aus dem frühen 18. Jahrhundert vorhanden sind, sagt sie. Ein Konzert des Mailänders Giorgio Antoniotto spürte sie in der Library of Congress in Washington auf. Zumeist waren die Stücke aus der Frühphase der Gattung Solokonzert aber im Internet greifbar.

Erstaufnahmen

Daher überrascht es ein wenig, dass sich unter den sieben Konzerten auf dem Album vier Erstaufnahmen befinden, darunter ein in Paris erhaltenes anonymes Werk im Vivaldi-Stil und eines des Venezianers Giovanni Benedetto Platti, der am fürstbischöflichen Hof in Würzburg Karriere machte. Erstaunlich ist, dass von den zehn Konzerten mit obligatem Violoncello des Bolognesers Giuseppe Maria Jacchini aus dem Jahr 1701 noch nie eines aufgenommen worden war – sie gelten als die frühesten Cellokonzerte überhaupt! Von diesen Stücken, die noch deutlich vom Stil des 17. Jahrhunderts geprägt sind, hat Hanna Salzenstein das "Concerto decimo" aufgenommen.

Schwerpunkt Vivaldi

Die drei restlichen Concerti auf dem Album stammen von Antonio Vivaldi, der insgesamt 27 Cellokonzerte geschrieben hat und damit eine wichtige Rolle beim Etablieren des noch jungen Instruments einnahm. Dem frühen Werk in c-Moll, RV 401, stehen das deutlich spätere C-Dur-Konzert, RV 400, sowie das außergewöhnliche Doppelkonzert, RV 531, gegenüber. Hier spielt ein Freund Salzensteins aus Studientagen, Albéric Boullenois, das zweite Solo-Violoncello.

Freundeskreis

Der Kern des kleinen Kammerorchesters, das auf dem Album zu hören ist, wird von Le Consort gebildet - daher die Bezeichnung Orchestre Le Consort. Auch die meisten anderen Mitglieder des etwa zehnköpfigen Orchesters kennt Hanna Salzenstein aus unterschiedlichen früheren Projekten. Ein kammermusikalischer Ansatz war ihr wichtig, jeder im Orchester sollte sich frei fühlen und kreativ sein können. Wenn es um Entscheidungen ging, teilte sich Hanna Salzenstein die Führungsrolle mit dem Geiger Théotime Langlois de Swarte.

Vertrautheit

Man merkt den Aufnahmen an, wie vertraut die Musikerinnen und Musiker miteinander sind. In den langsamen Sätzen erzeugt eine Continuo-Gruppe aus Theorbe, Erzlaute, Cembalo und Orgel eine überaus farbenreiche Grundierung. Und in den schnellen Sätzen unterstützen die Mitmusiker mit präziser und energiegeladener Begleitung die Solistin bei ihren fingerfertigen Einsätzen.

Abwechslung

Die Erfahrungen bei Le Consort haben die Musikerin in vielen Facetten ihres Soloprojekts inspiriert: "Dazu gehört, dass ich auf dem Album gern verschiedene Stimmungen und Stile haben wollte. Man sollte nicht davon gelangweilt werden, dass ausschließlich Konzerte erklingen. Daher habe ein paar kleine Stücke für Violoncello solo eingebaut. Es ist ein wichtiges Ziel unserer Arbeit im Ensemble und nun auch meiner, das Interesse des Publikums ständig hochzuhalten."

Ruhepunkte

Die vier kurzen Einschübe ganz ohne Begleitung, darunter zwei Capricen von Giuseppe Maria dall' Abaco, sind kleine Inseln der Ruhe und der Meditation im Fluss der schwungvollen Konzerte. Durch den Kontrast entfalten beide Gattungen eine umso stärkere Wirkung.

Doch auch die langsamen Sätze in den Orchesterstücken entfalten eine große Wirkung, "so, als würden wir die Welt mit unserer Melodie umarmen. Die Art, in der die Komponisten lyrische und melancholische Stücke schrieben, liebe ich am barocken Cellorepertoire am meisten. Damit haben sie den Kern der Stimme dieses Instruments wunderbar festgehalten."

Hanna Salzenstein; © Manuel Braun
Hanna Salzenstein | Bild: Manuel Braun

Famoser Klang

Hanna Salzensteins Spiel auf einem Amsterdamer Instrument von Pieter Rombouts aus dem Jahr 1711 nimmt mit seinem weichen, aber nie süßlichen Ton sofort für sich ein. Und genauso ist es in den schnellen Passagen auf dem Album "Concerti per violoncello". Hier begeistert sie mit großer Virtuosität, die aber an keiner Stelle triumphierend wirkt oder zur zirzensischen Selbstdarstellung verkommt.

Daraus entstanden ist ein farbenreiches Album mit einer famosen jungen Solistin, das auf weitere Projekte von ihr gespannt macht.

Rainer Baumgärtner, radio3

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