Die Schule der Frauen © Missing Link Films
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Dokumentation von Marie-Lou Sellem - "Die Schule der Frauen"

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Auf dem Münchner Filmfest feierte im Sommer der Dokumentarfilm "Die Schule der Frauen" Premiere - das Regiedebüt der Schauspielerin Marie Lou Sellem. Der Titel bezieht sich mehrdeutig auf die Folkwang-Schauspielschule in Essen, auf der allerdings auch männliche Schauspieler ausgebildet werden. 36 Jahre nach ihrem Abschluss dort hat Marie-Lou Sellem fünf ihrer damaligen Mitstudentinnen getroffen und lässt sie über die Erfahrungen sprechen, die Frauen in diesem Beruf machen.

In gewisser Weise ist der Film selbst bereits ein Symptom der Geschlechter- und Altersdiskriminierungen, denen Frauen ausgesetzt sind, denn der Wechsel ins Regiefach ist für einige von ihnen eine Selbstrettungsmaßnahme. Für Marie-Lou Sellem begann das Filmprojekt damit, dass ihr nach dem überraschenden Tod ihres Vaters bewusst wurde, in welchem Maße ihre Ansichten auch im Erwachsenenalter noch entscheidend von ihm geprägt waren.

Befreiung aus der Opferrolle

So zettelte sie - parallel zur #MeToo Debatte - eine Auseinandersetzung damit an, was es bedeutet, sich als Schauspielerin über 50 in einer Welt zu bewegen, die von männlichen Produzenten und Regisseuren geprägt ist und außerdem eine Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle in diesem Kräfteverhältnis: In welcher Weise tragen die Frauen dieses System mit, indem sie es nicht hinterfragen, nicht an den Grenzen rütteln? Insofern ist der Film durchaus als eine Art Selbstermächtigung zu verstehen, als Befreiung aus der "Opferrolle".

70 % aller klassischen Theaterrollen sind Männerrollen

Sechs ehemalige Schauspielstudentinnen treffen sich nach 36 Jahren wieder: Da geht es natürlich vor allem um die Erfahrungen, die sie seit ihrer Ausbildung gemacht haben. Schnell wird klar, dass sind grundlegend andere, als die ihrer männlichen Kollegen - angefangen schon in der Ausbildung:

"Wir waren 15 im Jahrgang, davon waren sechs Frauen. Das hat man vielleicht hinterfragt, aber dann wurde einem erklärt, dass das am Theater auch so ist und dass 70 % aller klassischen Rollen Männerrollen sind und nur 30% Frauen."

Es geht um Missverhältnisse, die in den letzten Jahren in Folge des Weinstein-Skandals und der #MeToo-Debatte immer stärker in den Blick gerückt sind. "Die Schule der Frauen" ist eine Collage aus Selbstzeugnissen dieser fünf Frauen, die man in ihrer ehemaligen Schule sieht, in der sie auch der aktuellen Generation der jungen Schauspielschülerinnen begegnen, aber auch in ihren heutigen Arbeitszusammenhängen, bei Proben auf verschiedenen Bühnen, nicht nur als Schauspielerinnen, sondern auch als Regisseurinnen oder Coach, denn, um sich der Diskriminierung als Schauspielerin zu entziehen, verlagern sie ihr Arbeitsfeld.

Systemische Missstände

Konkreten Machtmissbrauchserfahrungen kommen in den Erzählungen der Frauen weniger in Form von dramatischen Vorfällen vor, sondern eher in Form von systemischen Missständen, zum Beispiel in der Erwartung, Klischees zu erfüllen:

"Ich erinnere mich an eine Sache, da war ich ziemlich jung am Theater. Ein Regisseur hat mir gesagt, ich soll erst mal lernen, richtig zu laufen. Ich würde laufen wie ein Bauarbeiter. Und ich soll immer ein bisschen weiblicher laufen. Das hab ich mir natürlich schon sehr zu Herzen genommen und hab dann auch immer selber drauf geachtet: lauf ich jetzt wie ein Bauarbeiter? Und hab immer auch die Leute gefragt: lauf ich jetzt wie ein Bauarbeiter?"

Gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen

Marie-Lou Sellem überlässt das Feld den weniger berühmten Kolleginnen, tritt ganz bewusst in den Hintergrund. Eine weitere Regieentscheidung ist, dass es keine Inserts oder Bauchbinden gibt, die die Namen der Schauspielerinnen oder die Orte, an denen sie arbeiten, zuordnen. Es soll nicht um einzelne Frauen gehen, sondern um systemische Misstände. Mit dabei sind Karoline Eichhorn, die durch ihre "Tatort"-Auftritte etwas bekannter ist, Jacqueline Kornmüller, die als Theaterregisseurin arbeitet, Katharina Linder, die vor allem Theaterschauspielerin ist und Kerstin Weiss, die am Stadttheater Gießen Regie führt.

Dass sie alle weniger bekannt sind, ist Teil des Problems, um das es geht: Denn als Frauen über 50 werden sie altersbedingt selten besetzt - und wenn, agieren sie nicht im Vordergrund, sondern im Hintergrund.

"Die Schule der Frauen" ist keine feministische Kampfansage, sondern eher eine Art Selbstversicherung, ein Postulat, dass die weibliche Perspektive Teil der Gesellschaft ist, und dass auch die älteren Frauen mit ihren Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten darin vorkommen müssen: Nach wie vor ist es gesellschaftlich von Nachteil, alt zu werden. Nach wie vor ist es in vielen Bereichen von Nachteil, eine Frau zu sein. Absolut ungünstig ist es, eine ältere Frau zu sein. Tödlich ist es, eine ältere Schauspielerin zu sein.

Anke Sterneborg, radio3

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