Drama - "Der Meister und Magarita"
Wer ist teuflischer? Der Totalitarismus oder der Teufel selbst? In Mikhail Lockshins Verfilmung von Michail Bulgakows "Der Meister und Margarita" kommt es zum Showdown zwischen dem Leibhaftigen und der stalinistischen Nomenklatura. Obwohl sich der Film eng an die Romanvorlage aus dem Jahr 1940 hält, sind Bezüge zum heutigen Russland unübersehbar.

Der Meister (Jewgeni Zyganow) ist ein berühmter Schriftsteller im Moskau der 1930er Jahre, der unvermittelt in die Fänge des stalinistischen Kulturapparats gerät. Sein Theaterstück über den römischen Statthalter Pontius Pilatus, von der Literaturkritik als reaktionär gebrandmarkt, wird mitten in den Proben abgesetzt. Der Meister muss sich vor einem Komitee verantworten und wird schließlich mit Schimpf und Schande aus dem Schriftstellerverband geworfen. Auch seine Kollegen, die ihm vorher noch ihre uneingeschränkte Solidarität zugesichert haben, sind auf einmal verschwunden – ein Paradebeispiel für die Ohnmacht der Kunst in Zeiten des Totalitarismus.

Der Leibhaftige in Menschengestalt
Geplagt von existenzieller Verzweiflung trifft der Meister auf den Leibhaftigen in Menschengestalt. Der mysteriöse Professor Woland (August Diehl) ermutigt den Schriftsteller zum Schreiben eines Romans, in dem sein Alter Ego mit den Schergen des Systems abrechnet. Und tatsächlich: alles, was sich der Meister ausdenkt, wird schon bald Realität. Sein Redakteur Berlioz (Jewgeni Zyganow) wird von einer Straßenbahn überfahren, der trunksüchtige Theaterleiter Likhodeev (Marat Basharov) landet in einer Nervenheilanstalt auf der Krim und auch die Wohnung seines schärfsten Kritikers Latunski (Dmitriy Lysenkov) wird von dunklen Mächten heimgesucht.
Überraschende Wendung
Mit düsteren Bildern führt Michael Lockshins Film durch Bulgakows Phantasiewelt. Kalte Farben, wenig Licht, dazu die Kulissen des stalinistischen Moskaus der 1930er: Die Szenerie erinnert mitunter an einen Horrorfilm, in dem es durchaus auch mal blutig werden kann, wenn Woland und seine Entourage ihre Hände im Spiel haben. Dann aber, wenn man gerade glaubt sich in der Geschichte zurecht zu finden, springt der Film ins antike Rom, in die Zeit von Pontius Pilatus (Claes Bang). Der Mann, der Jesus aus reinem Opportunismus ans Kreuz hat nageln lassen, spielt als Symbol menschlicher Feigheit ebenfalls eine wichtige Rolle in Bulgakows Roman.
Verweis auf das heutige Russland
"Der Meister und Margarita" gilt als schwer verfilmbar, weil sich die Zeitebenen und die Erzählperspektive ständig ändern: Auch Lockshins Adaption gleicht eher einem Kaleidoskop als einer stringenten Geschichte. Doch immerhin gelingt es ihm, zentralen Ideen des Buches herauszuarbeiten: Die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber der totalitären Gewalt und die Feigheit der Masse, die nur ihren eigenen Vorteil und ihre Gier in den Vordergrund stellt und sich nicht mit den Schwächeren solidarisiert – alles Dinge, die auch im heutigen Russland unter Putin zu beobachten sind. Ein Wunder, dass dieser Film überhaupt gedreht werden durfte.
Carsten Beyer, radio3