Cornelia Franz: Goldene Steine © Carlsen
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Jugendroman ab 12 Jahren - Cornelia Franz: "Goldene Steine"

Bewertung:

Antisemitismus nimmt in Deutschland immer mehr zu. Das ist nicht erst seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg in Gaza so. Antisemitische Straftaten haben seitdem aber noch einmal deutlich zugenommen. Der neue Jugendroman von Cornelia Franz kommt also zur richtigen Stunde. Es geht darin um alten und neuen Hass gegen Juden und um drei Jugendliche, die sich dem stellen.

Als kleines Kind hat die 13-jährige Yara die goldenen Steine, die ins Pflaster vor ihrem Haus eingelassen sind, für einen Schatz gehalten. Erst später hat Frau Winter, die alte Nachbarin, ihr von ihrer Freundin Ella erzählt, die bis 1942 mit ihrer jüdischen Familie in ihrem Haus gelebt hat - bis sie von der Gestapo abgeholt und im Konzentrationslager ermordet wurde. An sie sollen die Stolpersteine, die dem Roman seinen Titel geben, erinnern.

Konfrontation mit Antisemitismus

Seit Yara die Geschichte der Familie kennt, bleibt sie jedes Mal stehen, wenn sie an den Stolpersteinen vorbeikommt. Sie ärgert sich über Menschen, die einfach achtlos drauftreten und poliert sie, wenn sie dreckig sind. Mit aktuellem Antisemitismus wird sie aber erst konfrontiert, als sie umzieht und in ihrem neuen Viertel zwei Jungen kennenlernt.

Leon geht zum Kletterkurs in Yaras neuem Viertel. Kurz bevor sie sich da kennenlernen, ist er auf dem Weg zum Klettern von zwei älteren Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Für ihn kam das aus heiterem Himmel. Vor allem als sie ihn als "Scheiß-Drecksjuden" beschimpfen. Erst später wird ihm klar, dass es mit dem Käppi zu tun hat, das er bei einem Kletterausflug nach Frankfurt einem Mann aus Spaß vom Kopf gezupft und geklaut hat. Dass dieses Käppi eigentlich eine Kippa ist und die Angreifer ihn deswegen für einen Juden gehalten haben, versteht er erst, nachdem er und Yara auf Nikolai treffen. Dem ist allerdings sofort klar, dass der Angriff eigentlich ihm galt, denn er ist einer der wenigen Juden in der Gegend.

Der Angriff ist die Initialzündung für die Freundschaft der drei Jugendlichen und er schweißt sie noch mehr zusammen, als die Polizei ihn zuerst als Klopperei zwischen Jugendlichen abtut.

Perspektivwechsel sorgt für Spannung

Cornelia Franz erzählt die Geschichte immer abwechselnd aus der Perspektive der drei Jugendlichen. Das sorgt für Spannung und ist gleichzeitig ein guter Kniff, um Leser:innen mit unterschiedlichem Wissensstand über das Thema Antisemitismus abzuholen. Denn ihre Protagonisten haben alle einen anderen Bezug zum Thema. Yara hat sich durch die Stolpersteine vor ihrem Haus und die Geschichte der ermordeten Familie Cohen schon intensiv mit dem Holocaust beschäftigt. Sie interessiert sich für jüdische Geschichte und Traditionen und freut sich durch Nikolai noch mehr darüber zu erfahren.

Für Nikolai ist Antisemitismus immer präsent. Sein Großvater hat als einziger aus seiner Familie den Holocaust überlebt. Nikolai behält meistens für sich, dass er Jude ist. Durch seine ängstliche Mutter und Großmutter weiß er, dass Antisemitismus leider immer noch weit verbreitet ist und es Menschen gibt, die ihn dafür hassen, dass er Jude ist.

Leon dagegen kannte das Thema vor dem Überfall nur aus der Schule. Deswegen war ihm auch nicht bewusst, wie dämlich es von ihm war, dem Mann in Frankfurt die Kippa zu stehlen. Diese Kippa gibt dem Roman eine interessante Wendung. Denn die drei beschließen, nach Frankfurt zu fahren und die Kippa zurückzugeben.

Hochaktuell und sehr gelungen

Cornelia Franz gelingt es, Geschichte und Gegenwart geschickt miteinander zu verweben. Sie erzählt kindgerecht von der Judenverfolgung während des Nationalsozialismus und dem zunehmenden Judenhass heute und macht dadurch ganz deutlich, wohin dieser Hass führen kann, wenn eine Gesellschaft sich nicht rechtzeitig dagegen wehrt. Das ist hochaktuell und sehr gelungen!

Sarah Hartl, rbbKultur

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