Album der Woche | 13.05. - 19.05.2024 - Emmanuel Pahud: Mozart Stories
Emmanuel Pahud gilt als einer der vielseitigsten Flötisten unserer Zeit. Nicht nur ist er im Orchester aktiv – 1993 kam er als damals jüngstes Mitglied zu den Berliner Philharmonikern. Sondern er ist auch weltweit als Solist und Kammermusiker gefragt. Sein Repertoire reicht von Bach bis Rihm, von alter Musik bis zu Zeitgenössischem, von Klassik zu Filmmusik und Jazz. Auf seinem neuen Album erzählt der französisch-schweizerische Flötist: Geschichten von und über Mozart.
Seine eigene Geschichte mit Mozart beginnt, als Emmanuel Pahud vier Jahre alt ist. Damals lebte er mit seinen Eltern in Rom. Musik kam in seiner Familie nicht vor. Ein Nachbar allerdings spielte Flöte, und zwar Mozarts erstes Flötenkonzert. Der kleine Emmanuel hatte noch nie eine Flöte gesehen und wusste nichts von Mozart, aber die Melodie faszinierte ihn. Er bat den Nachbarn, sie ihm beizubringen. So kam Emmanuel Pahud zur Musik.
Durch Mozart zur Musik
Was dann folgte war, so nennt Pahud es heute: eine "Kettenreaktion". Mit fünf lernte er zunächst auf der Blockflöte: Noten lesen, Rhythmus, Fingersätze, Atemkoordination.
"Mit sechs war ich dann groß genug, die große Flöte bedienen zu können", erinnert sich Emmanuel Pahud.
Mit 14 spielte er das Flötenkonzert bei Wettbewerben, mit 15 gewann er den belgischen Nationalwettbewerb, es folgten Konzerte mit dem belgischen Nationalorchester. Diese Erfahrung begeisterte den damals jugendlichen Pahud so sehr, dass er beschloss, Musiker zu werden.
Gesanglich wie große Oper
Heute, mit 54, ist er seit langem fest im Sattel bei den Berliner Philharmonikern - und als Solist. Und noch immer und immer wieder neu begeistert ihn, was Mozart mit seiner Musik erzählt - und WIE er es erzählt. Das gelte auch für die vier Violinsonaten, die Emmanuel Pahud für das neue Album eingespielt hat – in der Fassung für Flöte und Klavier. Jede der beiden Stimmen stehe im Dialog mit der anderen. Es sei gesanglich wie in einer Oper:
"Da ist wirklich eine Gesangslinie, die man verfolgen kann, mit Gegengesang.“
Diese natürlichen Phrasierungen seien für die Flöte ideal, da sie der menschlichen Stimme und dem Atem beim Gesang sehr nah sei.
Vier Sonaten - vier Geschichten
Für Pahud erzählen die vier Sonaten, die er für das Album ausgewählt hat, vier ganz unterschiedliche Geschichten: Die C-Dur-Sonate ist ein Stück höfische Musik. Mozart komponierte das Werk 1778 im Stil der sogenannten Mannheimer Schule für seine junge Klavierschülerin Thérèse Pierron. Die "Begleitung der Violine", wie es damals hieß, übernahm der Lehrer höchstselbst. Auch oder vielleicht sogar ganz besonders als Flötensonate klingt diese Musik: heiter. königlich. galant. Und sie stand zweifellos in der Gunst des Mannheimer Kurfürsten Carl Theodor, der selbst Flöte spielte.
Die Sonate in e-moll hingegen ist tiefgründig. Eine Reise nach innen. Voller Melancholie. Möglicherweise, weil Mozart sie kurz nach dem Tod seiner Mutter schrieb.
Die B-Dur-Sonate wiederum könnte man als eine Erzählung hören vom Einklang des Menschen mit der Natur. Bereits mit 19 Jahren hat Emmanuel Pahud sie gespielt. Auch damals schon gemeinsam mit dem Pianisten Eric Le Sage, mit dem interpretiert Pahud sie jetzt, 35 später, noch immer.
Die Sonate in G-Dur schließlich ist besonders farbenreich und steckt voller Variationen. Für Emmanuel Pahud hat sie etwas Skulpturales. Als sei es eine Hommage an die Kunst selbst. So seien die Phrasierungen und auch die Variationen in dieser Sonate besonders kunstvoll.
Den jungen Beethoven beeindruckte die stilistische Meisterschaft dieses Werks so sehr, dass er es als Lehrstück für den Kompositionsstil eines – oder vielleicht sogar für drei – seiner Klavierquartette genommen haben soll.
In Mozarts Musik zuhause
"In der Musik von Mozart fühle ich mich zuhause", sagt Emmanuel Pahud. "Wahrscheinlich, weil ich dank Mozart überhaupt zur Musik und zur Flöte gekommen bin.“
Für ihn habe Mozart der Menschheit etwas Großartiges hinterlassen. Immer wieder gern spiele er seine Musik - ob nun jene Sonaten auf dem Album oder Flötenkonzerte mit großem Orchester oder Flötenquartette. Mit Mozarts Musik, so Pahud, könne er sich besonders gut ausdrücken:
"Es ist etwas, was Mozart ganz besonders auszeichnet, glaube ich. Dieses Gefühl: So fühle ich mich, so bin ich und so möchte ich jetzt spielen."
Antje Bonhage, radio3