Neue Nationalgalerie - "Josephine Baker - Icon in Motion"
Sie war sehr viel mehr als ein Idol im Bananenröckchen: Josephine Baker, die Mitte der 1920er Jahre erstmals auch in Berlin auftrat, war der erste schwarze 'Superstar'. Sie wurde international gefeiert, aber auch angefeindet. Und sie war nicht nur Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin, sondern auch Widerstandskämpferin und Bürgerrechtsaktivistin – kurz: Sie setzte Maßstäbe als „Kulturfigur“.
Schöpferin des eigenen Mytho
Eine verführerische junge schwarze Frau, die kurzen Haare kunstvoll zu 'Herrenwinkern' gelegt, und eine ältere Dame mit dicker Brille, die auf ihr ereignisreiches Leben zurückblickt: In dieser Gegenüberstellung filmischer Bilder zwischen denen rund ein halbes Jahrhundert liegt, wird gleich eingangs deutlich, was diese Ausstellung will: Eine Zusammenschau der höchst unterschiedlichen Facetten Josephine Bakers.
Auf relativ kleinem Raum werden durch Ineinanderschachteln und Überlagern von Fotos, Texten, Objekten und Filmausschnitten eine Fülle von Informationen geboten – und Baker als eine schwarze Frau dargestellt, die früh ihr öffentliches Bild in einer Mischung aus Wahrheit und Erfindung, Verbergen und Offenbaren selbst erschuf, die damit nicht einfach nur Objekt, sondern Autorin ihres eigenen Mythos war.
Von Kunst bis Kampf
Natürlich wird dabei ihre Kunst gezeigt und ihre Karriere nachgezeichnet: Filmausschnitte früher Revuen, in denen Josephine Baker selbstverständlich auch im berühmten Bananenröckchen tanzt - immer mit diesem unerhört frischen Lachen, als würde sie sich selbst darüber amüsieren, das Klischee der schönen Wilden parodieren und sich damit selbst davon distanzieren. Aber man sieht sie auch kurz vor ihrem Tod, mit 69 Jahren, in einer Revue, die die Stationen ihres Lebens wiedergab, und beim Interview damals hinter der Bühne: Mit schrillem Show-Make-up, aber in Soldatenuniform mit den Ehrenabzeichen, die sie erhalten hatte für ihre Dienste im Zweiten Weltkrieg, als sie zur Truppenunterhaltung nach Nordafrika reiste (und dafür sorgte, daß da zumindest erstmals keine Rassentrennung herrschte).
Vor allem aber wurde sie dafür ausgezeichnet, daß sie als Spionin und im Komitee Freies Frankreich gegen die Nazis kämpfte. Dieses Bild, das grell geschminkte Gesicht und darunter die Uniform, bringt diese unterschiedlichen Facetten auf den Punkt. Daneben aber hört man Josephine Baker auch singen, erfährt, daß sie 1928 auf ihrer ersten Welttournee 64 Kilogramm Gesichtspuder im Gepäck hatte. Ein Draht-Mobile von Alexander Calder nach ihrem Vorbild oder ein 'Bananen-Relief' der zeitgenössischen afro-amerikanischen Bildhauerin Simone Leigh stehen für die Spuren, die Baker bis heute in der Bildenden Kunst hinterlassen hat. Für ihre Rolle als Aktivistin – gegen Rassismus und für universelle Menschenrechte – stehen Fotos, die sie u.a. vor der Kulisse der Demonstranten bei Martin Luther Kings 'Marsch auf Washington' zeigen. All diese Facetten ihres Lebens tauchen auf und ab in einem Fluss von Bildern, die sich ergänzen, auch z.T. widersprechen oder überlagern.
Der Lack der Ikone
Neu ist dabei nicht, was die Ausstellung zeigt, sondern wie sie in dieser Zusammenschau das 'Ikonische' an Josephine Baker nachvollziehbar macht. Zwischen den sehr verschiedenen Aspekten ihrer Person und ihres Lebens bleiben unergründliche Brüche, biographische Details auch, über die sie lebenslang schwieg oder unterschiedliche Versionen in Umlauf brachte.
Gerade dieser unergründliche 'Rest' bei einer so öffentlichen Person erzeugt ein gewisses Faszinosum. Am Ende nimmt auch diese Ausstellung sie als das, was sie zu allen Zeiten war: Eine Projektionsfläche – nur diesmal für eine unserer Zeit entsprechende Lesart von 'Self-Empowerment'. Eine schwarz Frau, die aus der doppelten Benachteiligung von Hautfarbe und Geschlecht Kapital schlägt, indem sie Klischees von Exotik und Erotik bedient – auf der Bühne, im Film – und dank des Erfolgs, den sie damit hat, in ihrer Lebensgestaltung überwindet. Das ist gleichzeitig aber wiederum eine Form der Ikonisierung.
Am 'Lack' der Ikone Josephine Baker wird in dieser Ausstellung nicht gekratzt, sondern es wird auf kluge Weise eine neue Schicht aufgetragen.
Silke Hennig, rbbKultur