Wirklich gutes Gras - Muluchiya, der orientalische Spinat
Sie stehen vielleicht nicht im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit wie andere Sorten, aber es gibt sie, die Kräuter, die absolut gesund sind und auch noch gut schmecken. So wie Muluchiya oder Muskraut, eine Pflanze aus der Großfamilie der Malven, die im gesamten nördlichen Drittel Afrikas, im Nahen- und Mittleren Osten unzählige traditionelle Spezialitäten bereichert: In Ägypten ist sie Nationalgericht, in den meisten arabischen Ländern Alltagsspeise und Soulfood zugleich. Muluchiya wird frisch, tiefgefroren und vor allem getrocknet verwendet, um Suppen und Eintöpfen eine sämige Konsistenz und eine angenehm bittere, aromatische Note zu verleihen.
Langkapselige Jute oder Muskraut - so heißt Muluchiya (oder Molokhija, es gibt unzählige Schreibweisen) in unseren Breitengraden. Der Name dieser Pflanze aus der Großfamilie der Malvengewächse ist nicht abwegig: Aus den Fasern der Pflanze wird tatsächlich seit dem Altertum Jute hergestellt. Die Blätter sind hingegen sehr zart und sogar roh als Salat genießbar. Sie ähneln in der Form Minze und erinnern im Geschmack an Spinat, haben allerdings ein ausgeprägteres Aroma. Beim Kochen entwickeln sie eine gelierende Konsistenz, die jedoch nicht so stark schleimig wie Okra wirkt, mit der sie verwandt sind - die Blätter bleiben dennoch angenehm bissfest.
Ob in Eintöpfen, als geschmortes Gemüse oder als pestoartiger Dip für Brot: Muluchiya ist vor allem für Menschen aus dem arabischen Kulturraum Alltagsessen und Soulfood in einem. In Ägypten, wo Muklchiya Nationalgericht ist, gehören mit den Muluchiya-Blättern Huhn, Kaninchen oder Lamm in den Eintopf, in den Gegenden am Mittelmeer eher Fisch und Meeresfrüchte. Gewürzt wird das Gericht mit einer Koriander-Knoblauch-Mischung namens Taqliya, die vorab kurz in Ghee geröstet wird. Dazu wird Reis oder Brot serviert und als Beilage säuerlich eingelegtes Gemüse gereicht.
Allgegenwärtig und kostbar
Die Langkapselige Jute wächst in tropischen und südtropischen Klimazonen. Der Name ist in vielen Varianten in der Küche unzähligen Ländern zu finden - von Westafrika über den Maghreb, den Nahen- und Mittleren Osten bis Indien. Sogar auf den Philippinen finden sich Rezepte mit diesem Kraut, das offensichtlich anspruchslos wächst und leicht verfügbar ist.
Das erklärt aber noch nicht die Begeisterung von Millionen von Menschen für diese Pflanze, die sie ihren Traditionen und Gaumengewohnheiten angepasst haben. Womöglich haben sie schon früher geahnt, dass die Blätter der Jute viele gute Eigenschaften besitzen. Heute wissen wir, dass sie reich an Folsäure, Eisen, Beta-Carotin, Calcium und Vitamin C sind und mehr als 32 weiteren Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen aufweisen. Entscheidend für die Beliebtheit der Muluchiya dürfte aber eher die Tatsache sein, dass die Blätter auch getrocknet oder sogar zu Pulver verarbeitet werden. Das macht dieses Kraut lagerfähig und über das ganze Jahr verfügbar - auch in vegetationsarmen Gegenden.
Der milde Geschmack mit der dezenten bitteren Note harmoniert mit vielen Zutaten und die gelierende Eigenschaft wird geschätzt, um Suppen und Eintöpfe zu verdichten. Diese - mit Fleisch, Fisch oder einfach Hülsenfrüchten wie Saubohnen - werden je nach Region mit verschiedenen Beilagen serviert: ob Reis oder Brot wie im Nahen Osten oder mit Maisbrei, Maniok-Fufu oder gekochtem Yam-Mehl wie in Westafrika.
Malvenvielfalt für das ganze Jahr
Muluchiya-Blätter sind überall zu finden, wo Menschen aus dem arabischen Kulturraum oder Fans der orientalischen Küche einkaufen. Zuverlässige Adressen sowohl für frische als auch für tiefgekühlte oder getrocknete Muluchiya sind die vielen arabischen Gemüsehändler der Berliner Sonnenallee, sowie der Wochenmarkt in der Berliner Crellestrasse im Stadtteil Schöneberg. Dort ist manchmal auch die großblättrige Gemüsemalve zu finden, die auch zur Großfamilie der Malvengewächse gehört, und die beim Garen viel weniger Schleim entwickelt und in der Pfanne geschmort sehr angenehm schmeckt. Sie wächst in den Sommermonaten auch im Norden.
Die einheimische Wilde Malve mit den violetten Blüten, die unter dem Namen "Käsepappel" bekannt ist, wächst und blüht erst ab Mai bis Juni. Ihre Blätter sind ebenso wertvoll und werden meist getrocknet, um einen Tee zu gewinnen, der als Heilmittel bei Husten und Halsentzündungen schon zu Zeiten von Karl des Großen bekannt war. Er ließ Wilde Malve in den Gärten der kaiserlichen Güter anbauen. Das ist auch heute empfehlenswert, da wildwachsende Pflanzen im Stadtpark oder in der freien Natur der Einwirkung von Hunden, Füchsen oder partyfeiernden Touristen ausgesetzt sind. Notfalls reicht für ein paar Töpfe schon das eigene Fensterbrett - vorausgesetzt, es ist nicht schon komplett durch andere Pflanzen belegt, die seit dem 1. April besonders angesagt sind ...
Elisabetta Gaddoni, rbbKultur