Album der Woche | 18.12. - 24.12.2023 - Alexis Ffrench: "Christmas Piano"
Zu Weihnachten erscheinen in jedem Jahr zahllose neue CDs – obwohl die Zeitspanne, in der diese Musik "trendet", immer sehr kurz ist. Dem freudigen Fest entspricht dabei oft die Anmutung der Interpretationen und es geht festlich und fröhlich zu. Ganz anders hört sich das "Christmas Piano"-Album des Engländers Alexis Ffrench an. Er liefert Klänge zum Reflektieren und Versenken.
Zwei Dutzend weihnachtliche Stücke hat der Pianist innerhalb der letzten sechs Jahre aufgenommen. Ein paar davon hat er bereits in den Vorjahren veröffentlicht, doch nun präsentiert er alle zusammen. Bei vielen Tracks handelt es sich um Adaptionen bekannter internationaler Lieder, doch zehn Kompositionen stammen von ihm selbst.
Britisch-jamaikanisches Fest
Der 53 Jahre alte Musiker wuchs als Sohn jamaikanischer Einwanderer in einem Dorf westlich von London auf. Bereits mit sieben Jahren wurde er Organist der dortigen katholischen Gemeinde. Weihnachten bedeutete für den Schüler eine Mischung aus Orgeldiensten, westindischen Köstlichkeiten und der liebsten "Christmas Music" seines Vaters.
"All diese tollen Künstler wie Nat King Cole, Sam Cooke und Johnny Mathis kamen so in unser Haus", erklärt Ffrench. Daher sei seine Version des Liedes "Chestnuts Roasting on an Open Fire" eine Hommage an Coles Fassung.
Zusammenschau
"Das Album fasst meine Beziehung zu Weihnachten zusammen – Weihnachten als Erlebnis, als eine Zeit des Gebens, als religiöse Erfahrung und als Gelegenheit zu teilen. Aber es ist auch ein Ausdruck von Familie, Liebe und Zusammengehörigkeit.“
Dabei will sich Ffrench als Interpret der Stücke nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellen: "Mir ist wichtig, dass man sich der Musik nicht unnötig aufdrängt. Es geht mir darum, ich selbst zu sein und zugleich die Demut zu besitzen, die Musik für sich sprechen zu lassen."
Wärmend
Die meisten Stücke auf dem Album erzeugen beim Hören ein heimeliges Gefühl. Wenn Alexis Ffrench beispielsweise seine Version von "O Tannenbaum" spielt, denkt man weniger an dessen immergrüne Zweige als an den Schnee, der auf ihnen liegt und an die Kälte drumherum – und man genießt zugleich die behagliche Innenwärme. Selbst ein im Original so sprühendes Lied wie José Felicianos "Feliz Navidad" wird bei Ffrench zu einer nachdenklichen und zum Nachdenken anregenden Studie. Der weihnachtliche Jubel kommt beim britischen Musiker leise daher.
Classical Soul
Den Stil seiner Kompositionen und Arrangements nennt er selbst "Classical Soul". Er ist stark von seinen Kindheitseindrücken beeinflusst, von den Jazz- und Soulplatten seines Vaters. "Classical Soul ist der Schnittpunkt meiner musikalischen Welt – all der Dinge, die ich liebe und über die ich improvisiert habe, die ich aufgesaugt, studiert und angehört habe.“
Nach seinem Musikstudium schlug Alexis Ffrench eine Karriere als Konzertpianist für das klassisch-romantische Repertoire ein. Daneben schuf er aber von Beginn an auch eigene Klavierkreationen. Schon immer habe er für sich ein grenzenloses musikalisches Universum angestrebt, sagt er, "in dem ich mich ohne Zwänge und Einschränkungen in jede Richtung bewegen kann.“
Improvisationen
Seine Bearbeitungen bekannter Lieder hat er improvisiert und dabei am Ende aus vielen Fassungen die schönsten ausgewählt.
"Das Spielen ist ein ganz unbewusster Prozess. Es ist fast eine spirituelle Erfahrung, die Musik durch mich strömen zu lassen, bis sie dann auf dem Album landet.“
Er will dabei die Essenz der Stücke herausarbeiten, wobei er die Originalmelodie mit kleinen, sich harmonisch einfügenden Zusätzen ausschmückt.
Familienhilfe
Mit seiner Musik möchte Ffrench Freude und eine positive Energie vermitteln, insbesondere auch mit seinen Eigenkompositionen. Nicht alle seiner Stücke auf "Christmas Piano" sind bewusst weihnachtlich gehalten, doch sie fügen sich gut in den Rest des Albums ein. Bei der Suche nach Melodien oder Titelüberschriften hat er manchmal seine Familie zu Rate gezogen. Zwei der Stücke hat er sogar ganz mit seinem Sohn Jobim entwickelt.
Rainer Baumgärtner, rbbKultur