Album der Woche | 27.11. - 03.12.2023 - Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzerte
Der französische Geiger Renaud Capuçon hat alle fünf Konzerte von Wolfgang Amadeus Mozart aufgenommen und dabei - wie zu Mozarts Zeiten mit der Geige in der Hand - das Orchestre de Chambre de Lausanne geleitet.
Mozart ist ein Komponist, bei dem man nicht lange rumprobieren sollte. Man muss einfach im Jetzt sein und der Musik freien Lauf lassen, sagt Renaud Capuçon. Schon als junger Teenager hat er Mozarts Violinkonzert Nr. 3 gespielt. Das fühlte sich damals ganz natürlich an. Aber einige Jahre später war es mit dem natürlichen, unbefangenen Zugang zu Mozarts Musik erst einmal vorbei.
Der Musik freien Lauf lassen
Renaud Capuçon: "In der Zeit, in der ich 18 bis 25 Jahre alt war, habe ich Mozarts Musik auf eine sehr dogmatische Art einstudiert. Ich habe mich streng an die Partitur gehalten. Natürlich muss man da erst einmal durch. Man muss unglaublich gut vorbereitet sein und eine sehr gute Basis haben. Aber dann sollte man sich auch wieder davon befreien. Das ist ein sehr langer Weg. Ich denke, wenn man beim Spielen zu sehr auf seinen Intellekt setzt, dann funktioniert das nicht richtig. Man sollte Mozart so spielen, als wäre er ein Freund, ein Verbündeter."
Italienischer Einfluss im ersten Violinkonzert
Fünf Violinkonzerte hat Wolfgang Amadeus Mozart im Alter von 17 und 18 Jahren geschrieben. Da war noch nicht das Klavier, sondern die Geige sein Hauptinstrument und Mozart war Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle.
Das B-Dur-Violinkonzert ist sein erstes eigenständiges Solokonzert überhaupt. Er hat es unmittelbar nach seiner dritten Italienreise komponiert. In Italien hatte er Konzerte mit berühmten Geigern wie Pugnani und Nardini gehört. Die haben in Mozarts Musik Spuren hinterlassen, sagt Renaud Capuçon. Vor allem im Finalsatz des ersten Konzertes.
Renaud Capuçon: "Der ist wirklich sehr virtuos und sehr schnell und könnte durch den Stil der italienischen Konzerte beeinflusst worden sein. Ich würde sagen, Mozarts erstes Violinkonzert zeigt viel mehr als seine anderen Konzerte eine Verbindung zur italienischen Virtuosität."
Federleicht und verblüffend einfach
Die anderen vier Violinkonzerte sind anderthalb Jahre später entstanden. Mozart hat sie innerhalb von nur vier Monaten komponiert und darin seinen eigenen Stil weiterentwickelt. Nun kommt es ihm nicht mehr so sehr darauf ab, den Sologeiger brillieren zu lassen. Erstaunlich ist vor allem, wie organisch Mozart Tiefsinnigkeit mit Heiterkeit verbindet. Und komplexe Strukturen klingen bei ihm federleicht und verblüffend einfach.
Renaud Capuçon: "Das Schönste auf der Welt ist immer das, was am einfachsten ist. Ich glaube wirklich, dass diese offensichtliche Einfachheit in Mozarts Musik sein Genie als Komponisten zeigt. Das erklärt, warum Mozart so schwierig ist: Mit den einfachsten Dingen sollte man einfach umgehen, aber nicht banal. Es ist eigentlich unmöglich, das mit Worten zu erklären."
Das perfekte Mozart-Orchester
Das Orchestre de Chambre de Lausanne ist für Renaud Capuçon schon lange das „perfekte Mozart-Orchester“. Vor zwei Jahren hat er die künstlerische Leitung des Orchesters übernommen. Es war schnell klar, dass sie zusammen Mozarts Violinkonzerte aufnehmen und er dabei das Ensemble mit der Geige in der Hand leiten würde.
Renaud Capucon: "Als wir das erste Mal zusammen Mozart gespielt haben, waren wir wie eine Familie. Es hat sich unglaublich natürlich angefühlt. Die Musiker haben diesen transparenten Klang, sie haben diese Eleganz, die man für Mozart braucht, und sie haben diese unkomplizierte Art zu spielen - sie lassen es einfach fließen. Und ich vertraue dem Orchester und das Orchester vertraut mir. Das ist überhaupt das Wichtigste in der Musik. Wenn man dieses Vertrauen in den anderen, diese Zuversicht hat, ihm zuhört, ihn respektiert, dann ist die Hälfte der Strecke schon geschafft."
Imke Griebsch, rbbKultur