Peter Sühring: Ferenc Fricsay © edition text + kritik
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Sachbuch - Peter Sühring: "Ferenc Fricsay. Der Dirigent als Musiker"

Bewertung:

Der ungarische Dirigent Ferenc Fricsay ist eng mit der Berliner Musikgeschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit verbunden. Als Chefdirigent des RIAS- bzw. dann Radio-Symphonie-Orchesters Berlin, des heutigen Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin hat er das Musikleben vor allem dieser Stadt bzw. des Westteils von Berlin maßgeblich mitgeprägt.

Ferenc Fricsay war eine zentrale Persönlichkeit für den Wiederaufbau des Musiklebens im Westteil Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur zwei Jahre nach der Gründung des RIAS-Symphonie-Orchesters hat er den Klangkörper zum ersten Mal geleitet und ist danach sofort zum Chefdirigenten ernannt worden.

Es wurde schnell deutlich, dass man hier einen Dirigenten gefunden hatte, der das Orchester auf ein Spitzenniveau heben konnte. Viele herausragende Aufführungen und Aufnahmen sind entstanden. Der frühe Tod Fricsays mit noch nicht einmal 50 Jahren hat dann Weiteres verhindert.

Guter Überblick

Die neue Monographie des Musikhistorikers und Publizisten Peter Sühring gibt einen guten chronologischen Überblick in Form einer Zeittafel und widmet sich dann der Biographie Fricsays. Im Zentrum steht jedoch die Arbeit des Dirigenten mit den Orchestern, vor allem in Berlin, und dem Repertoire, das er gepflegt hat, allem voran Mozart und Bartók.

Der Idealist

Peter Sühring charakterisiert Ferenc Fricsay als einen absoluten Idealisten, der von seinen hohen künstlerischen Ansprüchen nie abrücken konnte und wollte. Fricsay, das wird deutlich, hat sich dabei selbst nicht geschont, und der Autor trifft die bemerkenswerte Aussage, dass die Magenblutungen, an denen der Dirigent litt und die zu seinem frühen Tod führen sollten, "mit Phänomenen der Überanstrengung durch zu hoch gesteckte künstlerische Ziele, der Enttäuschung über deren mangelnde Verwirklichung zu tun haben könnte(n)."

Materialfülle

Peter Sühring hat eine beeindruckende Fülle von Material zusammengetragen: Programme, Auftritte, Aufnahmen. Das ist für eine solches Buch eine sehr gute Grundlage, allerdings hätte man sich gewünscht, dass er diese vielen Details noch mehr gewichtet, analysiert und funktionalisiert.

Immerhin bekommt man einen guten Überblick über Fricsay als Mensch und Musiker. In den stärksten Momenten des Buches gelingt es dem Autor zu verdeutlichen, wie modern und ihrer Zeit voraus Fricsays Interpretationen mit ihrer Abkehr von Schwere und Sentimentalität hin zu dynamisch-zupackenden Ansätzen auf der Basis zügiger Tempi waren.

Über einige wenige kleinere Versehen muss man hinweglesen, aber insgesamt ist diese Darstellung ein lesenswertes und wichtiges Buch, zumal man in Sachen Fricsay-Biographik kaum Alternativen hat.

Andreas Göbel, rbbKultur