Mareike Krügel: Almuth und der Hühnersommer © Beltz & Gelberg
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Kinderbuch ab 8 Jahren - Mareike Krügel: "Almuth und der Hühnersommer"

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Kopfüber hängt Almuth an der Reckstange, beäugt von drei prächtigen Hühnern: So geht es los mit ihrem Hühnersommer voller Abenteuer und Entwicklungen. Ein vitales vielschichtiges Kinderbuch, in dem Menschen und Hühner gemeinsam glücklich werden.

Almuth ist umgezogen – von Berlin aufs Land, denn ihr kleiner Bruder Johnny ist sehr krank und braucht dringend Luftveränderung. So sehr die Eltern ihn umsorgen, so wenig lassen sie ihn am echten Leben teilnehmen. Darum wird Almuth Wanderin zwischen den Welten. All ihre Erlebnisse von draußen schmückt sie aus und gibt sie drinnen als Abenteuergeschichten zum Besten, um Johnny eine Teilhabe zu ermöglichen.

Eine mit Witz erzählte Geschichte vom Leben mit Handicap und aufregenden Abenteuern

Und sie erlebt sofort eine ganze Menge: Huhn Ingeborg lotst sie von der Reckstange weg hinüber in den Nachbargarten. Dort hält der alte einsame Witwer Matthiesen eine muntere Hühnerschar und wird für Almuth zum "Öhi", während er sie mit "Heidi" neckt. Aus dem Dorf kommt erst das grüblerische Einzelkind Said dazu, dann die temperamentvolle Joy, die als Älteste in einem Gewimmel von Geschwistern froh ist, durch ihre neuen Freunde hin und wieder der Verantwortung zu entkommen, die sie schon trägt.

Mit dieser Figurenkonstellation hat Autorin Mareike Krügel einen wunderbaren Kosmos geschaffen, in dem sie ihr Thema entfalten kann: das Leben miteinander. Stringent und dicht und stets mit vitalem Witz erzählt sie von der Kraft guter Gemeinschaft, vom Aufbruch, vom Lebenlernen mit Handicap und vor allem von aufregenden Abenteuern: Da büxen die Kinder nachts unbemerkt aus, um dem Marder auf die Schliche zu kommen, der wohl zwei Hühner gerissen hat; da brechen sie heimlich mit Johnny im Rollstuhl auf, um den Öhi aus dem Krankenhaus zu retten. Oder sie sitzen ruhig und friedlich am Löschteich bei den Fischen, die sie nicht angeln, sondern mit hartgekochten Hühnereiern füttern.

Sommerschmöker

Freundschaften entwickeln sich, Vertrauen entsteht und über alle Generationen hinweg beginnt die Lebensfreude wieder zu sprühen. Denn das ist das Interessante an diesem Kinderbuch: Die Schicksalsschläge, mit denen hier alle Figuren bereits zu tun hatten, liegen vor Beginn der Geschichte. Hier geht es um den Zeitpunkt unmittelbar danach: Wie geht es weiter? Almuth zeigt: Mit einer Feier des Lebens. So fordert der kleine Johnny auch von seinen liebevollen, aber überbesorgten Eltern ein, wieder überall mitmachen zu können. "Ich glaube, ich werde eine Begegnung mit den Hühnern überleben, Papa", sagt er und sein Vater gibt zu: "Mein Verstand weiß das, Johnny, aber mein Herz muss das erst noch lernen."

Diesen Ton zwischen Lakonie, Weisheit, Melancholie und Ehrlichkeit fangen die comicartigen Bilder von Melanie Garanin auf den Punkt ein. So leicht und dabei so vielschichtig kann Kinderliteratur daherkommen – ein Schmöker des Sommers!

Sonja Kessen, rbbKultur