Sophiensæle - Isabelle Redfern | MamaNoSing: "Datscha"
Für ihr Stück "Sistas!", das in Berlin an der Volksbühne zu sehen war, ist Golda Barton zur Nachwuchsautorin des Jahres 2023 gekürt worden. Jetzt hat sie nachgelegt. Ihr neues Stück heißt "Datscha" und feierte gestern in den Sophiensaelen Premiere.
Golda Barton wiederholt ihr Erfolgskonzept. Sie überschreibt einen russischen Klassiker und holt die Handlung ins Hier und Jetzt. In "Sistas!" hat sie Motive aus Tschechows "Drei Schwestern" aufgegriffen, nun sind Gorkis "Sommergäste" dran.
Doppelte Provokation
Die Datscha, auf der ihr Stück spielt, befindet sich im Berliner Umland. Bruno und Leeta haben sie vor Kurzem gekauft und nun Freunde eingeladen, mit denen sie ein paar Tage in der Sommerfrische verbringen wollen. Es wird viel geplaudert, doch nach und nach scheinen Probleme auf: Geldsorgen, Kindersorgen und ein allgemeines Gefühl der Leere und des Unglücklichseins – so weit so Gorki.
Doch Golda Barton hat die Perspektive verändert: Sie erzählt aus der Sicht von Frauen, von denen einige People of Color sind – eine doppelte Provokation.
Wir erleben erstens schwarze Frauen nicht als Opfer, sondern als gelangweilte Wohlstandsbürgerinnen und zweitens Männer nur als Randfiguren und wandelnde Klischees. Der Hausverwalter ist ein gutmütiger Naturbursche, die Ehemänner treten nicht direkt auf, sondern werden von den Frauen gespielt - breitbeinig, geldgierig und ziemlich egoistisch.
Ein dramaturgischer Kniff macht’s möglich. Die Frauen wollen bei einem Theaterfest mitmachen und bereiten dafür eine Szene vor, in der die Männer durch den Kakao gezogen werden sollen. Das rechtfertigt die Überspitzung und ist in der Inszenierung witzig anzusehen. Außerdem wird klar, dass die Frauen die Männer nicht besonders lieben. Untereinander sind sich die Damen aber auch nicht grün. Sie geben sich oberflächlich als Freundinnen, doch sie sticheln, was das Zeug hält.
Kein Mangel an Diversität und kontroversen Standpunkten
Die Regisseurin Isabelle Redfern, die selbst mit auf der Bühne steht, hat das Stück daher als giftige Gesellschaftskomödie inszeniert – in einem gelungenen, leicht surreal wirkenden Bühnenbild von Lani Tran-Duc. Grünpflanzen schlängeln sich wie Lianen von der Decke und wirken wie ein Dschungel. Man kann man sie als Metapher für die wild wuchernden Gedanken deuten. Ein paar Hängematten und Lampions sorgen für die nötige Ferienhausstimmung. Immer wieder wird betont, dass es ein heißer Sommer sei. Der Klimawandel sei gar nicht schlecht, da man sich so die Reise nach Mallorca sparen könne. So wird von Anfang an klar, dass wir es mit egoistischen Wohlstandsbürgerinnen zu tun haben.
Die fünf Frauen sind anhand ihrer Kostüme schnell als Typen zu erkennen. Gastgeberin Leeta mag Räucherstäbchen und wallende Gewänder, Julia im weißen Designerjäckchen hat einen Adligen geheiratet, Cathrin, die sich als alleinerziehende Mutter ohne Job durchschlagen muss, trägt ein Hippiekleid. Dazu kommen das Sportsachen tragende Call-Girl Kelly und die Ärztin Mardja in einer schlichten Bluse. Die Fünf repräsentieren verschiedene Milieus und Hautfarben: zwei von ihnen sind schwarz, zwei weiß, eine Asiatin. An Diversität mangelt es also nicht und auch nicht an kontroversen Standpunkten. Die einen stehen politisch eher links, die anderen rechts, die einen haben Kinder und sehen darin die Erfüllung ihres Lebens, die anderen können sich Mutterschaft nicht einmal vorstellen.
Emotional unbeteiligt
Ihre Gespräche eilen von Thema zu Thema. Mal geht es um Rassismus, mal um politische Haltungen, mal um Steuergerechtigkeit. Das Problem ist aber, dass sich diese Reizthemen nicht mit der Handlung verbinden. Es wird zum Beispiel über eine Putzfrau gesprochen, die Leeta schwarz für sich arbeiten lässt. Mardja weist darauf hin, dass dem Staat so Steuereinnahmen entgehen, die zur Finanzierung von Sozialleistungen gebraucht werden. Doch daraus folgt nichts. Die Beziehung der beiden Frauen und das Gesprächsklima ändern sich nicht, es wird einfach zum nächsten Thema übergegangen.
Manchmal schiebt die Regisseurin Tanznummern ein, um die Brüche zwischen den Szenen zu kaschieren. Das ist nett anzusehen, doch es behebt nicht das Problem. Die Frauen wirken wie Sprachrohre, nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut. Man bleibt emotional unbeteiligt. Das Stück rauscht vorbei, obwohl es spannende und hochaktuelle Fragen aufwirft.
Oliver Kranz, radio3