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Die Debatte mit Natascha Freundel, Katrin Göring-Eckardt und Eckart Lohse - Merkels Erbe – Kein Fehler, nirgends?

"Es ist eine hohe Kompetenz, die eigenen Fehler zu thematisieren." (Katrin Göring-Eckart)

Angela Merkel präsentiert ihre Memoiren mit dem Titel "Freiheit", und die Herzen des Publikums fliegen ihr zu – ob bei der Buchpremiere im Deutschen Theater Berlin oder mit Barack Obama in Washington. Sie bereue nichts, sagt Merkel.

Doch nach ihrer einzigartigen politischen Karriere als erster Bundeskanzlerin ist die Lage des Landes – zumindest gefühlt – schlechter denn je. Die Regierungskoalition ihres Nachfolgers Olaf Scholz: zerbrochen. Die Feinde der Demokratie: im Aufschwung. Die Wirtschaft: im Abschwung. Von der Bahn bis zur Bundeswehr wirkt Deutschland verspätet.

Manche meinen, das sei Merkels politisches Erbe. Der FAZ-Redakteur Eckart Lohse geht noch weiter: In seinem aktuellen Buch über Angela Merkel schreibt er, sie habe "die Menschen getäuscht, und sie haben sich gern täuschen lassen". Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckart sagt: "Es wäre an der Zeit, Fehler klar zu benennen. Nur dann kann man die Dinge besser machen."

Frau, jung, geschieden, unverheiratet, kinderlos, Tochter eines politisch eher linken Pfarrers aus dem Sozialismus: du lieber Himmel! Dieses Paket war so ziemlich die größte Provokation, die sich ein westdeutscher CDU-Politiker in den frühen 90er-Jahren vorstellen konnte. Deswegen habe ich verstanden, dass sie gesagt hat: das will ich nicht überbetonen. Sie hat dann Höhen der Macht erreicht, fast bis zur absoluten Mehrheit im Bundestag, da hätte sie es schon etwas deutlicher machen können. Ich weiß nicht, ob dann die Kluft zwischen den beiden Teilen Deutschlands geringer wäre. Aber sie hätte es versuchen können.

Eckart Lohse

Es wäre schon an der Zeit, sich noch einmal zu überlegen, auch für das, was in Zukunft passiert, was damals die Fehler gewesen sind. Die wirklich klar zu benennen. Und zwar am besten von denen, die sie gemacht haben. Das ist ja auch eine hohe menschliche wie politische Kompetenz, die eigenen Fehler zu thematisieren. Weil nur dann kann man in der Zukunft die Dinge auch wirklich besser machen."

Katrin Göring-Eckart
Eckart Lohse (© privat) und Katrin Göring-Eckardt (© Dominik Butzmann)
Eckart Lohse und Katrin Göring-EckardtBild: privat || Dominik Butzmann

Gäste

Eckart Lohse, geb. 1963 in Göttingen, ist seit 30 Jahren FAZ-Redakteur. Er hat in Bonn Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Romanische Philologie studiert und über Frankreich und die deutsche Teilung in den fünfziger Jahren promoviert. Neben dem Studium arbeitete er als Lokalberichterstatter bei verschiedenen Zeitungen. Er volontierte bei der FAZ, wurde 1996 politischer Korrespondent im Bonner, 1999 im Berliner Büro der Zeitung. Von 2003 bis 2014 war er leitender politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, kehrte danach in die Parlamentsredaktion der FAZ zurück, die er seit 2018 leitet. Von 2004 bis 2008 war er Mitglied des Vorstands der Bundespressekonferenz. Mit Markus Wehner schrieb Lohse ein Buch über die Große Koalition 2005-2009 ("Rosenkrieg") sowie zwei Biografien, 2011 über Karl-Theodor zu Guttenberg, 2012 über Peer Steinbrück. Sein jüngstes Buch heißt "Die Täuschung. Angela Merkel und ihre Deutschen" (dtv 2024).

Katrin Göring-Eckardt, geb. 1966 in Friedrichroda (Thüringen), ist Spitzenpolitikerin von Bündnis 90/Die Grünen und seit 2021 (zuvor bereits 2005 bis 2003) Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Sie ist seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestags. Von 2002 bis 2005 war sie mit Krista Sager und von 2013 bis 2021 mit Anton Hofreiter Vorsitzende der Bundestagsfraktion ihrer Partei. Bei der Bundestagswahl 2013 war sie per Urwahl mit Jürgen Trittin, 2017 mit Cem Özdemir Spitzenkandidatin ihrer Partei. Von 2007 bis 2021 war sie Mitglied des Präsidiums und des Vorstandes des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages, 2011 Präsidentin des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden. Sie ist seit 2009 Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (von 2009 bis 2013 Präses).

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Hier wird nicht nur debattiert, hier wird auch zusammen nachgedacht. Über alles, was unser Miteinander betrifft. Bildung, Digitalisierung, Demokratie, Einsamkeit, Freiheit, Klima, Kultur, Städtebau, Visionen - die Themen liegen in der Luft, nicht erst, aber besonders deutlich seit der Corona-Pandemie. Jede Folge widmet sich einer Frage unserer Zeit. radio3-Redakteurin Natascha Freundel spricht jeweils mit zwei Gästen, die wissen, wovon sie reden. Philosophisch, aber nie abgehoben. Persönlich, aber nicht privat. Kritisch und konstruktiv. Hier soll es nicht knallen, sondern knistern. Immer auf der Suche nach dem zweiten, neuen Gedanken.