Maria Montessori © Neue Visionen Filmverleih
Bild: Neue Visionen Filmverleih

Biografisches Film-Drama - "Maria Montessori"

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Nachdem die Frauen in der Kunst, der Politik und der Wissenschaft lange im Schatten der Männer bleiben mussten, werden ihre Geschichten jetzt immer häufiger aus dem Dunkel ins Licht gezogen und erzählt. Passend zum Internationalen Frauentag am kommenden Freitag gehen in dieser Kinowoche besonders viele starke, widerständige Frauen an den Start. Dazu gehört auch die italienische Schulreformerin Maria Montessori, deren Leben die Französin Léa Todorov in ihrem gleichnamigen Spielfilm erzählt.

Der Film beginnt mit einem Abschied: Die junge freiheitsliebende Maria Montessori muss sich entscheiden zwischen Kind und Karriere und lässt ihren kleinen unehelichen Sohn bei einer Amme zurück. Den Vater ihres Kindes wollte Maria Montessori ausdrücklich nicht heiraten: "Ich will nicht der Besitz von irgendjemandem sein!", sagt sie entschieden.

Kind oder Karriere

Mit selbstbewusstem Eigensinn erkämpft sich die von Jasmin Trinca gespielte Maria Montessori ihre Freiräume und Privilegien. Nach einem abgeschlossenen Studium der Naturwissenschaften war sie eine der ersten Frauen, die in Italien Medizin studierte: "Als ich mein Studium aufnahm, war es undenkbar für eine Frau, Medizin zu studieren. Das Wissen über den Körper sollte den Männern vorbehalten bleiben."

Immer wieder tritt sie energisch für die Rechte der Frauen ein: "Seit Evas Sündenfall wurde allen Frauen ständig und immer wieder eingetrichtert, dass Wissen eine Sünde sei. Dem ist nicht so. Frauen müssen sich aus der Apathie befreien, sie müssen aus dem Schatten der Unwissenheit treten, sich den Wissenschaften stellen, um sich zu emanzipieren!"

Maria Montessori © Neue Visionen Filmverleih
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Liebevolle Anleitung statt wissenschaftlicher Pädagogik

Aber auf ihrem Forschungsgebiet vertritt sie moderne Ansichten. Statt Kinder mit wissenschaftlicher Pädagogik zu triezen, soll die Erziehung von Liebe getragen sein: "Alles, was sie können, können sie nur, weil wir sie lieben!"

Im Film bemüht sich Maria Montessori liebevoll, geduldig und einfühlsam um geistig und körperlich eingeschränkte Kinder. Sie wehrt sich gegen männliche Kollegen, die in den Kindern nur "Idioten" und "hoffnungslose Fälle" sehen.

Seit 2019, mehr als 100 Jahre nach Veröffentlichung Maria Montessoris Hauptwerk "Pädagogische Anthropologie" und der Übersetzung auch ins Deutsche, stellt sich die Frage, in wieweit eine derartige Darstellung Schönfärberei ist. Denn in ihren Texten vertritt sie eugenische und rassenideologische Ansichten, die dem Nationalsozialismus von Mussolini und Hitler nahestanden. Dass sie sich mit dem Ziel gesellschaftlicher Verbesserung für eine Trennung der "normalen" von den "unnormalen" Kindern aussprach, thematisiert der Film nicht.

Vorbild für selbstbestimmte Frauen

Stattdessen konzentriert sich die französische Regisseurin Léa Teodorov bewusst auf die Anfänge ihrer Karriere und auf die feministischen Aspekte der Biografie: "Weil ich denke, dass es noch wichtig ist, das Leben von Frauen zu erzählen, die bekannt sind, ohne dass man weiß, was sie erleben mussten, um so bekannt zu sein. Es war für mich wichtig, die Frau zu zeigen, bevor sie so eine mythische Figur wurde - sozusagen Maria vor Montessori."

Teodorov kommt zu dem Schluss, dass Maria Montessori - wie viele andere Frauen - ihre weibliche Seite verstecken musste, um zur führenden Persönlichkeit in der männerdominierten Pädagogik werden zu können: "Mich interessiert genau diese Zeit, in der sie noch eine Frau war, mit einem schönen Körper, die eine Beziehung mit einem Mann und ein Kind hat, die auch gegen ihren eigenen Vater kämpfen muss, um so ein freies Leben zu führen. Das ist für mich interessanter, weil ich mich so am meisten auch identifizieren kann."

Maria Montessori © Neue Visionen Filmverleih
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Hauptrolle in der eigenen Erzählung

Im Film wird die Prostituierte Lili d’Alengy (Leïla Bekhti), selbst Mutter eines geistig eingeschränkten Mädchens, zu ihrer Verbündeten. Sie bringt ihr bei, sich selbstbewusster zu präsentieren. Ein Rat, der bis heute gilt: "Sagen Sie 'ICH! ICH habe die Methode entwickelt.' Sie müssen eine Geschichte erzählen, eine Geschichte, in der Sie die Hauptrolle spielen!" Zudem führt sie sie in die Gesellschaft ein und macht sie mit potentiellen Förderern bekannt.

Aus ihrer Arbeit mit den eingeschränkten Kindern entwickelt Montessori das pädagogische Prinzip für alle. In warmem Licht, erlesenen Farben, eleganten Kostümen und mit zwei attraktiven Darstellerinnen zelebriert der Film Montessori als Pionierin der Pädagogik und als selbstbewusste Kämpferin für die Gleichberechtigung. Für die dunkleren Seiten dieser Biografie ist da kein Platz.

Anke Sterneborg, rbbKultur