Sing Sing © Weltkino Filmverleih
Weltkino Filmverleih
Bild: Weltkino Filmverleih Download (mp3, 12 MB)

Drama - "Sing Sing"

Bewertung:

Die amerikanische Haftanstalt Sing Sing ist 50 Kilometer von New York entfernt, am Ufer des Hudson River, und war schon oft Schauplatz für Hollywood-Filme: James Cagney kam hier in "Angels with dirty Faces" auf den elektrischen Stuhl, Audrey Hepburn besuchte in "Frühstück bei Tiffany" einen Freund und Spencer Tracy sollte in "20.000 Jahre in Sing Sing" dort einsitzen. Jetzt kommt ein Film über das Hochsicherheitsgefängnis ins Kino, der wohl näher an die Realität heran reicht.

Der Film erzählt die Geschichte eines erfolgreichen Kulturprojekts, das inzwischen von anderen Haftanstalten übernommen wurde: "Rehabilitation through the arts" - kurz RTA - soll den Gefängnisinsassen zu neuen Fähigkeiten verhelfen. Das Ergebnis ist in Zahlen messbar. Nur fünf Prozent der RTA Teilnehmer werden rückfällig. Zum Vergleich: 60 Prozent der Gefangenen ohne diese kulturelle Rehabilitation landen später wieder im Gefängnis. Regisseur Greg Kwedar und Drehbuchautor Clint Bentley orientieren sich an dem realen RTA-Projekt. Brent Buell, der Theaterregisseur in Sing Sing, tritt als Ko-Produzent auf.

Der Film beschreibt die Entwicklung einer Aufführung von der ersten Idee bis zur Premiere. Doch zunächst einmal müssen sich die Mitglieder der Theatergruppe auf ein Genre einigen:

"Wie wäre es mit einer Western-Komödie? Das ist witzig! Ich wollte schon immer einen Western machen!"

"Ägypter!"

"Und wir können ein bisschen Shakespeare reinschmuggeln. Hamlet!"

"Hamlet in einer Komödie? Prinz Hamlet in einer Komödie?"

"Bring doch Horror rein! Nightmare on Elm Street."

"Darf ich mal eine Frage stellen? Könnt ihr mir eine Komödie nennen, in der all der Schwachsinn vorkommt, den ihr genannt habt?"

"Wir machen was mit Zeitreisen!"

"Das ist gar keine schlechte Idee."

Zeitreisen erlauben Rückblicke ins alte Ägypten, Gladiatorenkämpfe und den Auftritt von Hamlet in einem Stück. Eigentlich aber geht es bei den Proben um das, was die hartgesottenen Sträflinge am meisten fürchten: Es geht um ihre Gefühle.

Sing Sing © Weltkino Filmverleih
Bild: Weltkino Filmverleih

Mit Ex-Sträflingen gedreht

Der Film wurde zwar nicht in Sing Sing gedreht, aber die meisten Mitglieder der Theatergruppe spielen sich selbst. Es sind ehemalige Insassen von Sing Sing und man sieht ihren Gesichtern den Straßenkampf an: "Divine Eye", ein Drogendealer, bewegt sich leicht geduckt, lauernd, er kann es physisch nicht ertragen, wenn jemand zu nah hinter ihm vorbei geht. Im amerikanischen Original ist die Ghettosprache zu hören: "Wir sagen hier nicht Nigga, sondern Beloved", erklärt ein anderer Sträfling dem erstaunten Gangster.

Sing Sing © Weltkino Filmverleih
Bild: Weltkino Filmverleih

John Divine G ist eine der wenigen Figuren, die von einem professionellen Schauspieler gespielt wird. Colman Domingo wurde in diesem Jahr als bester Hauptdarsteller für einen Oscar nominiert. Er spielt einen Sträfling, der Stücke schreibt, sich für Tanz interessiert, aber auch für andere Gefangene Anträge ausfüllt. Bei seiner eigenen Anhörung zum Wiederaufnahmeverfahren hat er jedoch eine sehr strenge Richterin vor sich:

"Es gab anscheinend andere entlastende Aussagen einer anderen Person, die Ihnen nie vorgelegt wurden.

"Das Tonband mit dem Geständnis eines anderen Mannes und weitere Beweise wurden zurückgehalten."

"Ja, und das ist Teil des Problems. Es war für uns fast unmöglich, die Echtheit des Tonbands zu bestätigen, denn die Person, die ausgesagt hat, ist tot."

Die Profis stehlen den Laien hier nicht Show. Die Schauspieler verstehen das Timing, die Pausen vielleicht besser, aber die Laien bringen eine ungewöhnliche Intensität mit. Aus der Zusammenarbeit entsteht eine emotionale Tiefe, die weit über die Geschichte eines Kulturprojekts hinausgeht.

Sing Sing © Weltkino Filmverleih
Bild: Weltkino Filmverleih

Momente der Freiheit im Knast

Der Erfolg des Projekts hängt mit einem Begriff zusammen, der oft auf der Straße gebraucht wird, hier aber anders gemeint ist: Respekt. Hier ist das nicht der Respekt vor dem Stärkeren, sondern vor dem, der seine Schwächen eingestehen kann. Paul Raci spielt den Regisseur mit verwittertem Gesicht und einer Engelsgeduld. Der Schauspieler arbeitet auch als Gebärdendolmetscher. In "Sing Sing" ist er eine Art Dolmetscher zwischen der Innenwelt des Gefängnisses und der Außenwelt. "Gentlemen" spricht er sein Ensemble an und bleibt auch in brenzligen Situationen höflich.

Greg Kwedar hat in einer ehemaligen Haftanstalt gedreht auf 16 mm Material, fast in Pastelltönen. Das verstärkt noch das Gefühl der Entrücktheit, der Ferne. Abends sind die Häftlinge in winzigen Zellen weggeschlossen. Tagsüber können sie in einer luftigen Halle proben, dürfen sich auch mal fallenlassen, sich kostümieren, tanzen, herumalbern, ihre Vergangenheit vergessen.

Alle Darsteller – egal ob Laien oder Profis – haben die gleiche Gage erhalten und alle werden an den Einnahmen beteiligt. Das verstärkt noch die Glaubwürdigkeit dieses eindrucksvollen Projekts.

Simone Reber, radio3

weitere rezensionen

Der phönizische Meisterstreich © Universal Pictures International Germany
Universal Pictures International Germany

Komödie - "Der phönizische Meisterstreich"

In Filmen wie "Die Royal Tenenbaums" (2001), "Grand Budapest Hotel" (2014) oder zuletzt "Asteroid City" (2023) erzählte Wes Anderson immer wieder von den Irrungen und Wirrungen des modernen, dysfunktionalen Familienlebens. Für jeden seiner Filme konstruierte er eine in sich geschlossene Welt: mal eine New Yorker Stadtvilla, mal ein altes Hotel in der fiktiven, osteuropäischen Republik Zubrowka und zuletzt das kleine Wüstenstädtchen Asteroid City. Gerade hat der neueste Film von Wes Anderson Premiere auf dem Filmfestival in Cannes gefeiert, ab dem 29. Mai läuft "Der phönizische Meisterstreich" in unseren Kinos.

Bewertung:
Tanz der Titanen © PLAION PICTURES
PLAION PICTURES

Komödie - "Tanz der Titanen"

Ein Treffen der G7, das völlig aus dem Ruder läuft: In Guy Maddins "Tanz der Titanen" müssen sich die Staatenlenker der wichtigsten Industrienationen mit Moorleichen, Chatbots und Riesenhirnen auseinandersetzen. Was als schräge Politsatire vielversprechend beginnt, endet als ermüdende Klamotte – daran kann auch ein großes Staraufgebot um die zweifache Oscar-Gewinnerin Cate Blanchett nichts ändern.

Bewertung:
Wunderschöner © Warner Bros. Germany
Warner Bros. Germany

Komödie - "Wunderschöner"

Wann, wo, wie, warum gelten Frauen als attraktiv? Das fragte schon die Komödie "Wunderschön" von Karoline Herfurth aus dem Jahr 2022. Fast zwei Millionen Besucherinnen und Besucher sahen den Film. Karoline Herfurth gewann mit "Wunderschön" den Ernst-Lubitsch-Preis als Regisseurin und Schauspielerin. Jetzt kommt der Nachfolger ins Kino: "Wunderschöner" heißt der neue Episodenfilm – wieder mit Starbesetzung. Neben Karoline Herfurth spielen Nora Tschirner, Anneke Kim Sarnau und Anja Kling.

Bewertung: