Still der VR-Installation des Selbstporträts von Rembrandt aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten" © Jongsma + O'Neill
Jongsma + O'Neill
"Kunst als Beute. 10 Geschichten": VR-Installation des Selbstporträts von Rembrandt | Bild: Jongsma + O'Neill Download (mp3, 11 MB)

Humboldt Forum - "Kunst als Beute. 10 Geschichten"

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Der "Fall Gurlitt" und die daran anschließende NS-Raubkunst-Debatte hierzulande machte deutlich: Kunst und Kulturgüter sind wie Zeitkapseln, die auch Unrecht aus der Vergangenheit in die Gegenwart tragen können. Inzwischen erforschen öffentliche Sammlungen die Herkunftsgeschichte ihrer Objekte und restituieren sie im Fall von unrechtmäßigem Erwerb. Das Humboldt Forum in Berlin - lange im Zentrum von Diskussionen um eine Rückgabe der "Benin-Bronzen" - beleuchtet das Thema "Kunst als Beute" anhand von "10 Geschichten" in einer Ausstellung, die aus dem Mauritshuis in Den Haag übernommen wurde.

Er sei nach Berlin gekommen wegen eines Stocks, sagt der Dichter Onias Landveld in einem kurzen Film, der seine Begegnung mit einem Objekt zeigt, das seiner Kultur entstammt: Der Kultur der Maroons, entflohener afrikanischer Sklaven in der ehemals niederländischen Kolonie Surinam. Der geschnitzte Stab, der von einer weiblichen Figur bekrönt wird und sich in der Sammlung des Ethnologischen Museums befindet, bedeute für ihn eine "Welt", sagt Landveld und fragt: "Warum ist er noch hier?"

Kunstraub stichprobenartig ausgestellt

Ob Koloniale Beutekunst wie der Stab aus Surinam, NS-Raubgut wie die Silberwaren jüdischer Familien, die heute im Berliner Stadtmuseum aufbewahrt werden, oder ein Pferdekopf, das einzige Überbleibsel der originalen Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die als Kriegsbeute Napoleons nach Frankreich verschleppt wurde: Stichprobenartig stellt die Ausstellung verschiedenste Fälle von Kunstraub vor und beleuchtet dabei jeweils andere Aspekte. Sie erzählt, unter welchen Umständen Objekte geraubt wurden – ein Selbstporträt von Rembrandt beispielsweise oder eine Rokoko-Kommode – und warum sich diese Umstände oft gar nicht mehr genau rekonstruieren lassen. Und sie fragt danach, was passiert, wenn diese Dinge zurückgegeben werden: Welche Rolle können dann z.B. Kopien spielen – seien es reale Abgüsse oder auch digitale Kopien.

Bilder im Kopf

Von zentraler Bedeutung ist dabei der "erzählende" Zugang. Die Ausstellung will einem breiten Publikum nahebringen, vor welcher Problematik viele Sammlungen weltweit heute stehen: Dass sie Bestände haben, die in Teilen möglicherweise nicht rechtmäßig erworben wurden und Lösungen finden müssen, um mit diesem Unrecht umzugehen. Auf kompakte Weise soll die Komplexität des Themas "Beutekunst" vermittelt und die Besucher:innen mit Bildern im Kopf wieder entlassen werden.

Buchstäblich im Zentrum der Ausstellung steht daher eine Virtual Reality-Erfahrung: Mit Hilfe einer VR-Brille wird man hier zurückversetzt zu jeweils einem entscheidenden Moment in der Geschichte von drei ausgewählten Objekten. Im Fall des Pferdekopfs etwa kann man mit Hilfe der VR-Brille die Perspektive der Quadriga hoch oben auf dem Brandenburger Tor einnehmen, kurz bevor sie Ende des Jahres 1806 abmontiert wurde, und unten die napoleonischen Truppen paradieren.

Humboldt Forum: Kunst als Beute - 10 Geschichten

Fragen statt Antworten

Die Illusion ist nicht perfekt, die Bewegung der Pferde ruckelt. Aber der Zweck, sich ein Bild davon zu machen, wie es damals am Brandenburger Tor zuging, wird erfüllt. Zwar werden die verschiedenen Aspekte der "10 Geschichten" nur in aller Kürze angerissen, aber man versteht, dass Beutekunst keine Ausnahme darstellt. Napoleon mag der erste gewesen sein, der im großen Stil Kulturgut aus eroberten Ländern abtransportieren ließ – geplündert wurde schon lange vor ihm.

Aus dem dicken Strang der Geschichte entwickelt die Ausstellung einzelne Fäden, die zu ganz verschiedenen Raubkunstgeschichten mit unterschiedlichen Fragestellungen führen. Was macht das Humboldt Forum jetzt z.B. mit den historischen Abgüssen von Benin-Bronzen? Die Originale sind restiuiert – stellt man jetzt die Kopien aus, sind sie genauso gut oder eben doch etwas ganz anderes?

Es bleiben viele Fragen - aber genau das ist beabsichtigt. Es entspricht dem derzeitigen Stand in der Museumswelt: Mehr Fragen als Antworten.

Silke Hennig, rbbKultur