Die Blume der Hausfrau © Knut Schmitz / Salzgeber
Knut Schmitz / Salzgeber
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Dokumentation - "Die Blume der Hausfrau"

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"Die Blume der Hausfrau" – das klingt wie surrealistische Poesie, ist in Wahrheit aber der Titel eines Dokumentarfilms von Dominik Wessely, der diese Woche im Kino startet. Man muss sagen "wieder startet", denn der Film stammt aus dem Jahr 1998. Er wurde ursprünglich vom Kleinen Fernsehspiel des ZDF produziert und erreichte dann in der Kinofassung Kultstatus. 70.000 Zuschauerinnen und Zuschauer begeisterten sich an den Beobachtungen aus dem Leben von fünf Staubsaugervertretern im Stuttgarter Raum. 25 Jahre später kommt der Film frisch restauriert noch einmal ins Kino.

"Der Verkäufer ist der Motor der Wirtschaft", sagt der Ausbilder der Staubsauger-Vertreter einmal. Zugleich steht der Vertreter aber auch für die Härte des Kapitalismus. Der amerikanischen Schriftsteller Arthur Miller hat das in seinem Theaterstück "Tod eines Handlungsreisenden" illusionslos thematisiert.

Die Blume der Hausfrau © Knut Schmitz / Salzgeber
Bild: Knut Schmitz / Salzgeber

Faszinierender Einblick in das Räderwerk des Kapitalismus

Im Film von Dominik Wessely geht es um fünf Staubsaugervertreter, die im Raum Stuttgart im klassischen Sinn Klinkenputzen. Steffen kommt ursprünglich aus Brandenburg, Massimo, Angelo, Salvatore und Maurizio sind die Söhne der ersten Gastarbeitergeneration – alle fünf sprechen fließend Schwäbisch.Dunkle Mäntel, blaues Hemd, rote Krawatte – die Helden dieses Films sehen aus wie aus dem Ei gepellt. Denn, so warnt sie ihr Ausbilder, Frauen haben einen kritischen Blick:

"Frauen gucken zuerst einmal hier ins Gesicht. Aber dann geht es schon weiter. Was hat er für Hände, sind die sauber? Dann geht es schon runter auf die Schuhe. Und wenn Du natürlich mit dreckigen Schuhen da draußen stehst und erzählst etwas von Hygiene - die denkt ja auch: Sag mal, was willst denn Du mir erzählen, junger Freund?!"

Auf diese Art vorbereitet, ziehen die Fünf los. "Fette Beute" lautet ihr Kampfruf. Und im Film wirken sie wie eine ziemlich smarte Gang.

Das Geschäft mit der Sauberkeit

"Die Blume der Hausfrau" ist ein Bürstenaufsatz für den Stabsauger. Regisseur Dominik Wessely wird nicht müde, die vielen Hinweise auf die Kehrwoche in den Treppenhäusern zu filmen. Sauberkeit gehört zum Ehrenkodex der schwäbischen Hausfrau. Ein erfolgreicher Vertreter schafft es, das ganze Sortiment an Aufsätzen für den Kobold vorzuführen. Die Vorführung – das ist so etwas wie der Bühnenauftritt der Vertreter.

Steffen Widule ist der Erfolgreichste in der Gruppe und seine Vorführungen sind Messen von heiligem Ernst:

"Das ist ein Pinsel, den kann man noch einmal verlängern. Mit dem macht man rund um die Sockelleisten oder man geht nach den Spinnenweben. Und jetzt kann man den Pinsel noch einmal wegnehmen, da hat man eine Fugendüse!"

Der Film bietet natürlich auch die Gelegenheit zum Blick in die kleinbürgerlichen Haushalte: An der Wand hängen Reproduktionen von Spitzweg, Dürer, Caspar David Friedrich. Dazu gerne Plastikblumen und Plüschtiere. Für alles gibt es den geeigneten Staubsaugeraufsatz - Bilder, Heizkörper, Dekorationen werden abgesaugt ohne Unterschied.

Die Blume der Hausfrau © Knut Schmitz / Salzgeber
Bild: Knut Schmitz / Salzgeber

Gewinner und Verlierer

Richtig spannend ist der Film, weil nicht alle erfolgreich sind. Und als Zuschauerin fiebert man mit dem Loser mit, dem Anfänger Angelo. Er klingelt an dem Tableau von Mehrfamilienhäusern. Keiner macht auf. Angelos Gesicht spiegelt die Emotionen, Spannung, Erwartung, Enttäuschung, aber auch eine gewisse Erleichterung, dass ihm die Peinlichkeit der Vorführen erspart bleibt.

Die anderen haben für den Fall, dass die Kundin nicht kaufen will, einen professionellen Ausweg parat:

"Man muss es ja nicht gleich nehmen. Wir sind die einzigen Verkäufer, Frau Hüme, merken Sie sich des, die auch nett sind, genauso nett, wenn wir gehen, auch wenn wir nix verkaufe."

Heute schreibt die Firma Vorwerk, Klinkenputzen war gestern. Man kann einen Vorführtermin buchen. Dominik Wessely beobachtet lakonisch, er greift nie ein. Er nutzt die historische Filmsprache des Neorealismus oder des Western, um seine echten Protagonisten wie Kinohelden aussehen zu lassen. Das Geschäft aber ist knallhart. Wer nichts verkauft, verdient auch nichts.

Simone Reber, radio3

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