Königliche Porzellanmanufaktur Berlin / Wilhelm Christian Meyer: Allegorische Figur, Afrika darstellend, um 1767 © Königliche Porzellanmanufaktur Berlin / Wolfgang Pfaude
Königliche Porzellanmanufaktur Berlin / Wolfgang Pfaude
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Schloss Charlottenburg - Schlösser. Preußen. Kolonial.

Bewertung:

Im Deckengemälde des berühmten Porzellankabinetts im Schloss Charlottenburg greift ein kleiner Schwarzer Junge in die Speichen des aufsteigenden Tages. Steht das Bild für Schwarze abwertende Menschenbilder des Barock und vielleicht auch unserer Zeit? Hat es eine Verbindung zum Menschenhandel, mit dem Brandenburg-Preußen einige Jahrzehnte versuchte, reich zu werden? Die Ausstellung "Schlösser. Preußen. Kolonial" im Schloss Charlottenburg versucht, solche Spuren aufzudecken.

Ausstellungen sollen aufregen, die Debatte in Gang bringen. Das jedenfalls sollte dem neuesten Projekt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sicherlich gelingen: Im Schloss Charlottenburger wird "Schlösser. Preußen. Kolonial" gezeigt, entwickelt von Mitarbeiter:innen der Schlösser mit Aktivisten aus diversen Berliner antirassistischen und postkolonialen Initiativen. Vor allem aus Afrika verschleppte Schwarze Menschen sollen als Individuen erkennbar werden, aber auch die Darstellungen von indigenen Süd- und Nordamerikanern, von "Indern", "Chinesen" oder "Tahitianern" als Klischeebilder aufgedeckt werden.

Antoine Pesne, Prinz Friedrich Ludwig oder Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen im Gartenwagen mit Friedrich Ludwig (?) © SPSG / Jörg P. Anders
| Bild: SPSG / Jörg P. Anders

Rassistische Gemälde

Der Blick wird gelenkt auf zweifelsfrei rassistische Gemälde wie das im berühmten Porzellankabinett, auf dem ein kleiner Junge mit schwarzer Hautfarbe und krausem Haar als Verkörperung von Nacht und Dumpfheit dem Wagen des strahlenden Tags, dem Symbol des preußischen Fortschritts, in die Speichen greift, auf Porzellanfiguren oder Zeichnungen, die Asien, Afrika und Amerika als Unterworfene Europas zeigen, oder die Statuen Schwarzer Männer, die um 1730 vor einem Berliner Adelspalais und um 1895 auf Befehl Kaiser Wilhelm II. vor dem Potsdamer Neuen Palais als Stützfiguren für Straßenlampen eingesetzt wurden.

Der größere Rahmen fehlt

Rekonstruiert werden beeindruckend vielfältige Lebensläufe aus den wenigen Akten, die noch vorhanden sind. Aber es wird auch schnell klar gemacht: Wir können selten genau sagen, wer diese Personen sind. Denn die Ignoranz gegenüber den Individuen gehört mit zur Geschichte des europäischen Rassismus. Leider fehlt dieser größere Rahmen: Im Vergleich etwa zu Sachsen, Württemberg oder selbst Braunschweig sind in Brandenburg-Preußen offenbar eher wenige Schwarze Personen als Teil des "Hofapparats" zwischen etwa 1700 und 1918 nachzuweisen, kaum mehr als zwei Handvoll. War Berlin nicht reich genug? Gerade Schwarze Menschen galten als Wohlstandsmarker. Andererseits betrieb Brandenburg seit 1682 in Westafrika eine halbstaatliche Handelsgesellschaft, handelte selbst mit Menschen.

Armlehnstuhl aus der Elfenbeingarnitur des Johann Moritz von Nassau-Siegen, Brasilien, um 1640 © Foto: Wolfgang Pfauder
| Bild: Foto: Wolfgang Pfauder

Sie lieferte aus Europa Luxuswaren wie die irrwitzig teuren Glasperlen, die etwa auf der Pfaueninsel produziert wurden, oder kostbare Spiegel und Waffen an afrikanische Eliten, um Elfenbein und versklavte Menschen zu erwerben, die Südamerika jene Rohstoffe produzierten, die dann in Europa weiter verarbeitet wurden und dessen heutigen Wohlstand mit begründeten.

Ein Paradestück für diesen "Dreieckshandel" ist jener prachtvolle Sessel nach antik-römischem Vorbild, der in den 1630er-Jahren aus afrikanischem Elfenbein in Brasilien hergestellt wurde (von wem, fragt man sich postkolonial sensibilisiert?), der von Moritz von Nassau an den "Großen Kurfürsten" nach Berlin verschenkt zu werden. Doch gerade diese Geschichte wird nicht erzählt, auch nicht nach den Interessen der Hohenzollern und ihrer Wirtschaftspolitik gefragt.

Ein streitbare Ausstellung, die Debatten anregen kann und sollte

Statt Zahlen zu liefern oder über das Fehlen solcher Zahlen zu argumentieren, wird antikapitalistisch, antikolonial und antirassistisch geraunt. Auch über die Reiterstatue des Kurfürsten Friedrich Wilhelm; ihn, der am Handel mit Menschen reich werden wollte, "Groß" zu nennen, fällt nach dem Besuch dieser Ausstellung schwer. Doch das von seinem Sohn errichtete Denkmal zeigt genau das Thema Afrika eben nicht – im auffälligen Unterschied zu anderen Fürstendenkmälern der Zeit. Hier aber wehren sich vier Weiße Männer gegen ihren borussischen Unterdrücker. Lag es am faktischen Scheitern des Kolonialprojekts? Am europäischen "Türken"-Trauma, als aus Süd-, Südost und Osteuropa nach neuesten Schätzungen etwa drei Millionen Menschen in die Sklaverei verschleppt wurden? Statt zu fragen, wird eine Verbindung dieses Denkmals zu Afrika zwangskonstruiert, letztlich nach dem Modell: Alles hat irgendwie mit allem zu tun. Stimmt ja auch - irgendwie.

Schloss Charlottenburg, Reiterstandbild des großen Kurfürsten vor dem Schloss © SPSG / P.-M. Bauers
| Bild: SPSG / P.-M. Bauers

Aber die "China"- und die "Türken"-Moden zeigen auch Unterlegenheitsbewusstsein, die Begeisterung für Tahiti die Sehnsucht nach einem einfachen, klaren Leben. Es sind offenbar nicht alle Rassismen gleich – auch wenn sie gleich verachtenswert sind. Eine Ausstellung also, die streitbar ist, die gerade durch ihre Schärfe Debatten über die aktuelle Bedeutung von Geschichte anregen kann und sollte: Erst 1857 wurde in Preußen der Handel mit und der Besitz von Menschen verboten – 40 Jahre nach Österreich. Auch von diesem Unterschied und dem Warum hätte man gerne in der Ausstellung erfahren.

Nikolaus Bernau, rbbKultur