Spaghettieis, Bananasplit und Fürst-Pückler-Schnitte - Eis-Nostalgie
Längst ist sie in Gang gekommen, die Nostalgiewelle. Getragen wird sie von vielen Menschen, die ein frühes Eiserlebnis heute wieder auffinden möchten. Der Lauf der Zeit hat es verschüttet, aber in diesen Tagen kann man einer ganz bestimmten Süße der Jugend wieder nachspüren. Während der Nachwuchs noch vor den bunten Sorten steht und sich mit der Auswahl schwertut, wissen die Erwachsenen genau, was mit Spaghettieis und Bananensplit, mit einem Amarenabecher oder aber einer Pücklerschnitte auf sie zukommt. Noch bevor die Portion vor ihnen steht, scheint bereits eine Art Kinderzimmerfrische von ihnen Besitz ergriffen zu haben.
"Kinder wählen nach Farbe", sagt Vassili Georgiadis von "Kiez Eis" am Schöneberger Winterfeldtplatz, "Mädchen pink, Jungs rot." Auf die seit längerem schon im Trend liegende Sorte Mango können sie sich einigen, während das jüngst ins Programm genommene Spaghettieis der absolute Renner bei ihren Eltern ist. Die Pasta wird hier durch ein in Fäden gepresstes Vanilleeis auf Sahne nachgebildet, Erdbeersauce vertritt immerhin farblich die Bolognese und Flocken von weißer Schokolade spielen Parmesan. Wegen der großen Nachfrage plant Georgiadis gerade eine Spaghetti Carbonara-Version.

Vanille, Erdbeer und Schokolade dem Fürsten zu Ehren
Die vor knapp 100 Jahren gegründete "Eiskonditorei Monheim" an der Wilhelmsaue ist seit Jahr und Tag ein Ort, an dem die Pücklerschnitte gepflegt wird. Die nach dem sächsischen Landschaftsarchitekten und Reiseschriftsteller Hermann Pückler-Muskau benannte Spezialität gibt die Wappenfarben des Fürsten mit Vanille, Erdbeer und Schokolade wieder. Hartgefroren und zum Quader geschnitten, wird die Pücklerschnitte von zwei Waffeln eingerahmt. Sie bilden so etwas wie eine essbare Serviette. Diese simple Anordnung auch noch geschmacklich ausgesprochen lapidar auszudrücken, das gehört zu den Kennzeichen der Monheimschen Eisherstellung.
Bananeneis allererster Güte und das wohl beste Schokoladeneis der Stadt
Ebenfalls auf Grundaromen und frugale Präsentation verlässt sich der dortige Bananensplit. Serviert wird er in einer ovalen Kunststoffschale, die ebenfalls aus der Kälte kommt. In der "Eisbox" dagegen ist der Auftritt dieses aus den USA stammenden Eisgerichts ungleich spektakulärer. Die Banane wird in Moabit von einem frisch hergestellten Bananeneis allererster Güte (dazu noch vorzügliche Bio-Qualität der verwendeten Rohstoffe) repräsentiert, hinzu treten ein ebenfalls überragendes Tonkabohnen-Eis sowie schließlich das im Moment wohl beste Schokoladeneis der Stadt.

Bei der Herstellung der schlicht Schokolade- Ziegenmilch-Meersalz genannten Sorte verarbeitet Inhaberin Marion Schmid die französische Premiumcouvertüre Cluizel und Rohrohrzucker, der einen Anflug Karamell mit sich bringt. Überdies: Wie ein wirklich gutes Eiscafe liegt die "Eisbox" im Schatten.
Auf ovale Silberschalen, die an katholisches Messgeschirr erinnern, oder Schalen aus Presskristall müssen die Gäste in einer Moabiter Seitenstraße verzichten. Denn man muss sich diesen Split an der Theke aus den einzelnen Sorten zusammenstellen lassen. Vor der Türe wird man dann reich belohnt – und zwar mit einem seltenen Gefühl. Zumute ist einem nämlich, als würde jetzt erst die Gegenwart in Kraft treten und der Tag bis dahin sei bloß Vorgeschmack gewesen.
Inszenierte Üppigkeit: Der Amarena-Becher
Bei letzterem bleibt der Amarena-Becher im "Caffè e Gelato" stecken. Am Zusammenspiel von Milcheis, Amarenakirschen, Amarenasauce und Schokodeko gibt es eigentlich nichts auszusetzen, höchstens der Geschmack des Ultrahocherhitzen in der Sahne mag ein wenig stören. Doch der Becher zündet – wenn man das bei Gefrorenem überhaupt sagen kann – nicht recht. So bleibt es bei einer inszenierten Üppigkeit, die sich jedoch sehen lassen kann.
Thomas Platt, radio3