Delikatessen am Wegesrand - Hopfenspitzen und Holunderblüten
Selbst wenn die Temperaturen nicht ganz frühlingshaft sind, verraten die blühenden Bäume und Sträuche, dass der Wonnemonat Mai endlich da ist. Beim Spazieren im Grünen lohnt es sich, auf Zweige und Hecken zu schauen: Rankende wilde Hopfenplanzen bieten in diesen Wochen essbare zarte Spitzen und an Holunderbüschen blühen unübersehbar wohlduftende Dolden. Während die Hopfentriebe mit ihrer zarten, edelbitteren Note Pasta, Risotto, Quiche und Rührei bereichern, veredeln Holunderblüten Salate, Parfaits und Erdbeeren – ihr volles Aroma entfalten die Dolden allerdings erst als ausgebackene, mit Akazienhonig beträufelte Küchlein.
Als "Hopfenspargel" werden die grünen Triebe der Pflanze oft bezeichnet, weil sie tatsächlich an die Spitzen des wilden Spargels erinnern. Sie sind essbar, angenehm bitter im Geschmack und können vielseitig verwendet werden, am Besten angebraten oder gedünstet. Es gibt aber eine andere Spezialität, die unter dem Namen "Hopfenspargel" schon seit dem 8. Jahrhundert n.Ch. bekannt ist und früher als Armeleuteessen galt. In diesem Fall handelt es um die Triebe, die die unterirdisch wachsenden dünnen Stockwurzeln produziert. Da sie in Überzahl sprießen, werden die meisten entfernt, gereinigt, geschält und ähnlich wie Spargel zubereitet. Der Aufwand erklärt, warum diese Spezialität so gut wie verschwunden ist.

Spargel aus der Luft
Die grünen Hopfenspitzen machen es uns hingegen sehr leicht. Das Bücken nach ihnen ist nicht notwendig, denn die wilde Hopfenplanze rankt sich an Spalieren, Zäunen und Hecken und ist in Parks oder Gartenkolonien sehr verbreitet.
Die etwas pelzigen Stengel stechen nicht und verfallen vollständig nach dem Garen. Abgetrennt werden sie einfach mit den Fingern auf eine Länge von ca. 20 oder 30 cm - je nachdem, wie dick die Stiele mittlerweile sind. Sie müssen gewaschen werden, am Besten im Wasser mit etwas Essig oder Natron, da Fruchtfliegen das bittere Aroma auch mögen und zahlreich in den Knospen stecken. Einmal in der Pfanne mit Öl oder Butter und Gewürzen nach Geschmack gegart, können die Hopfenspitzen, die in Italien den hübschen Namen Bruscàndoli tragen, weiter verarbeitet werden, ähnlich wie wilder Spargel, Cime di Rapa oder Spinat. Sie sollten aber nach der Ernte rasch zubereitet und in keinem Fall in einer Plastiktüte aufbewahrt werden: Geschmack und Duft ändern sich rasch.
Ernten und gleich essen
Ähnliches gilt für die sehr empfindlichen Holunderblüten: Besonders wichtig ist es, beim Ernten einen offenen Korb zu benutzen. In keinem Fall sollten die Dolden luftdicht in einer verschlossenen Tüte lagern, dann verändert sich nämlich der honigsüße paradiesische Duft in einen etwas strengen Geruch, der deutlich an Reviermarkierungen männlicher Katzen erinnert. Idealerweise sollten die Blüten aus Parks oder Gartenkolonien stammen, fern vom Straßenverkehr und an Stellen wachsen, die von Tieren schwer erreicht werden können. Holunderblüten eignen sich mit ihrem süßlichen Geschmack für Süßspeisen, vor allem für die klassischen Holunderküchlein: im Teig frittierte Blütendolden, mit Puderzucker oder Akazienhonig beträufelt.
Aus Holunderblüten wird oft Sirup gemacht - mit Sekt Grundlage für den fast schmerzlich-blumigen Sommerdrink "Hugo". In Krokant- und Schokoladenkreationen sehen die feinen Holunder- und Lindenblüten besonders gut aus.

Anregend oder entspannend?
Mit abgelösten Holunderblüten lässt sich auch Risotto veredeln, mit Parmesan, Erdbeeren und Basilikum abgeschmeckt, so wie auch Fleischgerichte mit Sauerkirschen und Holunderblütensauce - dazu passt frische Minze. Für ein blumiges Frühstück können Holunderblätter der Butter beigemischt oder über das Rührei gestreut werden. Über Salate und gegrillte Ziegenkäsetaler verteilt, kommt ihr feines Aroma besonders gut zur Geltung.
Beide Pflanzen, Holunder und Hopfen, verfügen laut der Kräuterhilmittelkunde über vielfache Eigenschaften: Während Holunderblüten u.a. anregend wirken sollen, fördere Hopfen Entspannung und Schlaf. So sollten sie ausgleichend dosiert werden, um nicht womöglich schlaflos – oder schlafend – durch den Monat Mai zu kommen!
Elisabetta Gaddoni, radio3