Album der Woche | 05.05. - 11.05.2025 - Äneas Humm: "Libertas"

Äneas Humm ist ein junger Bariton, gerade 30, kommt aus der Schweiz, lebt aber schon seit einigen Jahren in Berlin. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass er wohl die meiste Zeit des Jahres in verschiedenen anderen Städten verbringt. Der Juilliard-Absolvent und Gewinner des Opus Klassik (2022) ist gefragt. Und ziemlich breit aufgestellt: Er singt Opern, Operetten, Konzerte, Oratorien und Lieder. Die Freiheit nimmt er sich. Jetzt hat er sein viertes Album veröffentlicht und das heißt "Libertas", also Freiheit – das passt.

Freiheit – das ist ein großes Wort. Und vermutlich bedeutet es für jeden auch ein bisschen etwas anderes. Für Äneas Humm bedeutet es, selbst entscheiden zu können, wann er welches Konzert singen möchte:

"Ich war lange in festen Engagements. Und wenn ich dann Konzerte singen wollte, dann musste immer erst bewilligt werden, ob ich frei bekomme oder nicht. Die nächste CD, so dachte ich immer, muss sich um das Thema Freiheit drehen – dann, wenn ich mein eigener Chef bin."

Vier Komponisten

Für das neue Album "Libertas" haben Äneas Humm und die Pianistin Doriana Tchakarova Lieder von vier Komponisten ausgesucht: Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Amy Beach und Joseph Marx. Eine spannende Mischung – aber warum ausgerechnet diese vier?

"Ich glaube, obwohl sie zum Teil aus ganz verschiedenen Zeiten stammen, verbindet sie ein Drang, sich verwirklichen zu wollen."

Ludwig van Beethoven: Freiheit als Lebensmotto

Freiheit war für Beethoven essentiell – sowohl musikalisch als auch ganz persönlich. Das "Flohlied" aus Goethes "Faust" dürfte ihm gefallen haben: Auf humoristische Weise werden hier von Mephisto persönlich die Verhältnisse am Hof auf die Schippe genommen. Mit einer guten Portion Verschmitztheit singt Äneas Humm den Mephisto auch.

Franz Schubert: Sehnsucht

Auf Beethoven folgt Schubert. Und mit ihm ein Begriff von Freiheit, der mit Sehnsucht Hand in Hand geht.

!An mein Herz – das ist ein Lied, das mir sehr ans Herz gewachsen ist. Das hat für mich diese innere Unruhe, die Schubert für mich oft ausmacht und gleichzeitig gibt es eine Art goldenen Faden, der sich durch Schuberts Leben zieht - das ist magisch, aber auch so tragisch. Und das ist alles in diesem Lied drin."

Amy Beach: Ein Vogel im Käfig

Und dann geht’s nach Boston, zu Amy Beach. Sie war erst 18, als sie einen Mann im Alter ihres Vaters geheiratet hat. Statt ihre Karriere als Pianistin weiter verfolgen zu können, war sie nun vor allem Ehefrau. Auftreten durfte sie nur noch sehr selten, umso mehr hat sie komponiert. Übrigens mit besonderer Vorliebe Lieder über deutsche Texte. Und auch wenn ein Lied noch so zart und grazil beginnt: das ist die bekannte Ruhe vor dem Sturm.

"Sie hat einen ganz eigenen Stil. Etwas Amerikanisches, eine Süße. Man kann sich vorstellen, wie ihre Musik bei einem Hauskonzert in Boston, in einem ganz kleinen intimen Rahmen aufgeführt wurde."

Äneas Humm, Bariton; © Maurice Haas

Joseph Marx: Eine (Wieder-)Entdeckung

Beethoven, Schubert und mittlerweile vielleicht auch Amy Beach – das sind keine unbekannten Namen in Sachen Lied. Bei Joseph Marx sieht die Sache schon anders aus. Der Österreicher ist der jüngste der vier Komponisten, die Äneas Humm und Doriana Tchakarova ausgewählt haben, bis 1964 hat er gelebt. Er war Pianist, Kritiker, Lehrer für Musiktheorie und Komposition und er hat komponiert. Und das schlicht bezaubernd: perlende Klavierklänge und grazile Gesangslinien en masse! Dass hier ein begeisterter Pianist am Werk war, hört man. Besonders in den ausgedehnten Zwischenspielen, die Doriana Tchakarova innig und kantabel interpretiert.

Lied ad libitum

Äneas Humm hat eine ganz eigene Art, Lieder zu singen – das klingt mal mehr nach Oper oder Operette, mal mehr nach Chanson und dann doch wieder nach klassischem Kunstlied.

Das ist keine typische Liedinterpretation, aber äußerst reizvoll! Und: Warum nicht einen eigenen Weg gehen? Äneas Humm war mal so frei:

"Ich wollte eine CD machen, mit unserer Freiheit als Musiker, das zu fühlen, was wir in dem Moment für richtig empfinden."

Henrike Leißner, radio3

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