"Stop Violence against Women" ("Stop mit der Gewalt gegenüber Frauen") steht auf einem Plakat, das eine Demonstrantin vor dem Brandenburger Tor hält © dpa/Annette Riedl
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Die Debatte mit Ann Kristin Schenten, Asha Hedayati und Christina Clemm - Gewalt gegen Frauen

"Frauen berichten von einer vollständigen Zerstörung ihres Ichs" - Asha Hedayati

Jede dritte Frau in Deutschland erlebt im Laufe ihres Lebens physische und/oder sexualisierte Gewalt. Vor Gericht landen nur die wenigsten Fälle. Die Rechtsanwältin Christina Clemm vertritt Frauen, die sich zur Strafanzeige entschieden haben und teils massivste Verletzungen erleiden mussten. Doch auch dort - vor Gericht - sei der Frauenhass allgegenwärtig, so Clemm.

Die Familienanwältin Asha Hedayati erlebt Frauen, die von gewalttätigen Partnern gezeichnet sind. Im Familiengericht kämpfen sie nun um das Sorgerecht für die Kinder und erfahren dabei oft erneute Diskriminierung.

Mit Moderatorin Ann Kristin Schenten sprechen Hedayati und Clemm darüber, wie gewaltbetroffene Frauen oft in Situationen größter Verletzung im Stich gelassen werden und was sich ändern muss, damit die Gewalt auf allen Ebenen ein Ende findet.

Gewalt beginnt nicht mit einem Faustschlag, sondern meist schleichend und subtil. Ich erlebe häufig, dass die Beziehung sehr emotional und leidenschaftlich beginnt. Dann kommen nach und nach kleine Momente, die die Betroffenen zum Zweifeln bringen. Das kann emotionale Erpressung sein: 'Wenn du heute Abend nicht bei mir bleibst, fühle ich mich vernachlässigt'. Betroffene werden isoliert, haben keinen Kontakt mehr zu Freunden und Bekannten oder sogar zur Familie. So gibt es auch kein Umfeld mehr, das ihnen spiegeln kann, ob das Verhalten des Partners korrekt ist. Es kommt häufig dazu, dass Frauen dann ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen.

Asha Hedayati

Ich bezeichne Frauenhass als eine emotionale Gewohnheit der Verachtung. Wir erlernen schon ganz früh eine Abwertung von Frauen. Ich halte es für wichtig, dass wir das erkennen, um zu verstehen, dass das keine plötzlich aufkommenden Taten sind, sondern dass sie auf einer Gewohnheit beruhen. Wir sehen häufig, dass vor Gericht die Schuld der Frau zugeschrieben wird. Es heißt dann, wäre sie anders, würde er auch nicht schlagen. Diese Annahmen sind falsch. Diese Form der Verachtung kann in einem aggressiven Tun enden. Das ist Frauenhass.

Christina Clemm
Asha Hedayati (© Heike Steinweg) und Christina Clemm (© Alena Schmick)
Asha Hedayati und Christina ClemmBild: Heike Steinweg | Alena Schmick

Gäste

Asha Hedayati, geboren 1984 in Teheran. Als Rechtsanwältin arbeitet sie seit fast 10 Jahren Im Bereich des Familienrechts und vertritt dabei schwerpunktmäßig gewaltbetroffene Frauen in Trennungs-, Scheidungs-, und Gewaltschutzverfahren. Neben der Arbeit als Anwältin, bildet sie Sozialarbeiter*innen von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen im gesamten Bundesgebiet aus und ist Gastdozentin für Familienrecht und Kinder- und Jugendhilferecht an der Alice-Salomon-Hochschule und der Paritätischen Akademie für Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit. Ziel ihrer Arbeit ist das Sichtbarmachen von Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen marginalisierter Gruppen und das Aufzeigen der strukturellen Problematik beim Thema Gewalt gegen Frauen. Ihr aktuelles Buch heißt "Die stille Gewalt" (Rowohlt 2023).

Christina Clemm, geboren 1967, ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Straf- und Familienrecht in Berlin. Seit fast dreißig Jahren vertritt sie Opfer geschlechtsbezogener, sexualisierter, rassistisch motivierter, rechtsextremer, LSBTI*-feindlicher, antisemitischer oder ansonsten menschenverachtender Gewalt. Christina Clemm ist eine der Anhörungsbeauftragten der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und berät unterschiedliche Organisationen zur Prävention und Aufarbeitung geschlechtsbezogener Gewalt. Zuletzt erschien von ihr das Buch Akteneinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt (2020). Ihr aktuelles Buch heißt "Gegen Frauenhass" (Hanser Berlin 2023.).