Ein Lehrer der Gurukul School of Art malt Wahlplakatefür Joe Biden und Donald Trump, Mumbai, Indien, 07.03.2024; © picture alliance/Sipa USA/Ashish Vaishnav
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Die Debatte mit Ann Kristin Schenten, Annika Brockschmidt und Arthur Landwehr - Wahl in den USA - Kampf um Identität

"Der Kulturkampf der Republikaner basiert auf einer gefühlten Bedrohung." (Annika Brockschmidt)

Die USA erleben ein Déjà-vu. Im November müssen sich die Wähler wieder zwischen Joe Biden und Donald Trump entscheiden. Dabei steht nicht weniger als das Schicksal der Demokratie der westlichen Welt auf dem Spiel. Wie konnte es so weit kommen? Ein Schlüssel liegt in den Identitätsfragen, die in den USA immer lauter werden. Der ehemalige ARD-Korrespondent in Washington, Arthur Landwehr, stellt fest: "Es geht nicht um die Frage, was ich möchte, sondern wer ich bin." Er sieht einen Kulturkampf beider Seiten. Die Historikerin und Journalistin Annika Brockschmidt sagt, dass vor allem die Republikaner Politik und Identität verknüpfen, um Ressentiments zu schüren. Und das nicht erst, seit Trump populär ist. Beide blicken auf ein Amerika, das um unterschiedliche Wahrheiten kämpft - tatsächliche und gefühlte.

Ich glaube, dass die Menschen auf Trump-Veranstaltungen tatsächlich eine existenzielle Angst haben. Wenn man aber genau nachfragt, dann ist diese rechte Kulturkampf-Narrativ total widersprüchlich. Da wird einerseits gesagt, die urbane Elite werde geschützt und gleichzeitig wird erzählt, dass in den Städten das Blut die Straßen runterfließen würde. Das ist in sich überhaupt nicht schlüssig. Das muss es aber auch gar nicht sein, weil es um Identität geht.

Annika Brockschmidt
Arthur Landwehr (© Frank Lange) und Annika Brockschmidt (© Frederike Wetzels)
Arthur Landwehr und Annika BrockschmidtBild: Frank Lange | Frederike Wetzels

Gäste

Die Menschen in den USA wählen nach ihren persönlichen Lebensumständen. 74 Millionen Menschen haben 2020 Donald Trump gewählt. Die kann man nicht alle als bescheuert bezeichnen. Man muss nach dem Warum fragen. Wenn ich mit den Menschen rede, die Trump wählen, dann haben die Tränen in den Augen und sagen: 'Er ist unser Retter, er hat uns noch nie im Leben belogen'. Sie sagen, dieser Kulturkampf gehe von den Städten aus. Von einer Identitätspolitik, die sich nur um sogenannte unterrepräsentierte Gruppen kümmere. Dabei gehe das gemeinsame Amerikanische verloren und sie - auf dem Land - würden als Hinterwäldler oder als Rassist beschimpft.

Arthur Landwehr

Annika Brockschmidt, geboren 1992 in Berlin, hat Geschichte, Germanistik und War and Conflict Studies in Heidelberg, Durham und Potsdam studiert. Sie ist freie Journalistin und Autorin, hat in der Vergangenheit für das ZDF Hauptstadtstudio gearbeitet, den "HistoPod" für die Bundeszentrale für politische Bildung produziert und ist aktuell Co-Host der Podcasts „Feminist Shelf Control“ mit Rebekka Endler und "Kreuz und Flagge" mit Lukas Hermsmeier. 2022 erhielt sie eine "Transatlantic Media Fellowship" der Heinrich Böll Stiftung. Ihr Buch «Amerikas Gotteskrieger» über die Macht der Religiösen Rechten in den USA war 2021 ein Spiegel Bestseller, wie auch ihr aktuelles Buch "Die Brandstifter - wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen".

Arthur Landwehr, geboren 1958 in Rheda-Wiedenbrück, war von 1999 bis 2006 und von 2018 bis 2022 ARD-Hörfunk-Korrespondent in Washington, D.C. Von 2006 bis 2018 war er Hörfunk-Chefredakteur des Südwestrundfunks. Während seiner USA-Aufenthalte hat er die gesellschaftliche Entwicklung der USA in den Amtszeiten von Clinton, Bush, Trump und Biden intensiv journalistisch begleitet. Für seine Berichterstattung wurde er mit dem RIAS-Radiopreis ausgezeichnet. Zudem ist Landwehr Honorarprofessor an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Sein Buch "Die zerrissenen Staaten von Amerika - Alte Mythen und neue Werte - ein Land kämpft um seine Identität" ist 2024 im Droemer Verlag erschienen.

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Der zweite Gedanke; © radio3
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Debatte mit Natascha Freundel & Gästen - Der Zweite Gedanke

Hier wird nicht nur debattiert, hier wird auch zusammen nachgedacht. Über alles, was unser Miteinander betrifft. Bildung, Digitalisierung, Demokratie, Einsamkeit, Freiheit, Klima, Kultur, Städtebau, Visionen - die Themen liegen in der Luft, nicht erst, aber besonders deutlich seit der Corona-Pandemie. Jede Folge widmet sich einer Frage unserer Zeit. radio3-Redakteurin Natascha Freundel spricht jeweils mit zwei Gästen, die wissen, wovon sie reden. Philosophisch, aber nie abgehoben. Persönlich, aber nicht privat. Kritisch und konstruktiv. Hier soll es nicht knallen, sondern knistern. Immer auf der Suche nach dem zweiten, neuen Gedanken.