Die Delegierten halten auf dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena während einer Abstimmung eine Stimmkarte. © dpa/Sebastian Kahnert
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Die Debatte mit Ann Kristin Schenten, Thomas Biebricher und Olaf Sundermeyer - Warum ist die AfD so erfolgreich?

"Das ist kein Protest." Olaf Sundermeyer

"Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD." Für diesen Satz ist der ehemalige Parteisprecher Christian Lüth aus der AfD geflogen, doch die Partei kann ihn scheinbar noch immer für sich nutzen. Aktuell geht es der AfD so gut wie lange nicht. Im ARD-Deutschlandtrend erreichte sie zuletzt 18 Prozent und liegt damit gleichauf mit der SPD. In Brandenburg würden sogar 23 Prozent der Wählerinnen und Wähler der AfD ihre Stimme geben, wenn am Sonntag Wahl wäre.

Warum ist die AfD gerade so erfolgreich? Weil es Deutschland "schlecht" geht? Oder weil die Parteien keine Problemlösungen anbieten? Ein Großteil der AfD-Anhänger wählt die Partei nicht trotz, sondern wegen ihrer Radikalität, sagt der Journalist Olaf Sundermeyer. Der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher wünscht sich von den demokratischen politischen Parteien mehr Mut, die Krisen der Zukunft zu thematisieren. Wie kann und sollte die Zivilgesellschaft rechtsextremen Positionen entgegenwirken?

Es erfordert ein gehöriges Maß an politischem Mut, den ich mir auch wünschen würde, den Leuten reinen Wein einzuschenken. Nicht nur, was Migrationspolitik angeht, sondern auch welche Veränderungen auf das Land zukommen, in welchen Veränderungen das Land schon steckt und was das bedeutet. Es ist fatal, wenn in dem Moment, in dem auf Wahlkampf geschaltet wird, man sich gnadenlos in diese Kulturkämpfe hinein begibt und mitten im Terrain der AfD herum zu navigieren versucht. Gerade in Bayern ist es interessant, weil genau das gleiche schon 2018 probiert und dann auf der Zielgeraden gerade noch einmal umgeschwenkt wurde, als man festgestellt hat, dass es nicht so richtig gut funktioniert.

Thomas Biebricher

Die AfD hat einfach eine Kernklientel, die grundsätzlich mit der Ausrichtung unserer gesellschaftlichen Ordnung nicht einverstanden ist. Da spielt es nur eine vorübergehende Rolle, ob ein Heizungsgesetz vermurkst wird oder nicht; oder ob Herr Merz in einer Talkshow von "Paschas" spricht. Das Wesentliche ist, dass ein Teil der Menschen einfach nicht mitmachen möchte, wie dieses Land funktioniert, die sich eine Alternative dazu wünschen, insbesondere beim springenden Punkt der Migrationspolitik. Mit diesen 20 Prozent muss man fertig werden, und es kommt nicht so sehr auf die Radikalen an, sondern es kommt auf die große Mehrheit der Demokraten an, wie die sich verhalten. Und die sind eben immer noch zwischen 70 und 80 Prozent.

Olaf Sundermeyer
Thomas Biebricher (© Heike Steinweg) und Olaf Sundermeyer (© Thomas Ernst)
Thomas Biebricher und Olaf SundermeyerBild: Heike Steinweg | Thomas Ernst

Gäste

Thomas Biebricher, Jahrgang 1974, ist seit 2022 Heisenberg-Professor für Politische Theorie, Ideengeschichte und Theorien der Ökonomie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zuvor war er Associate Professor an der Business School Kopenhagen und Postdoktorand am Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen" an der Goethe-Universität Frankfurt a.M.. 2021 erschien seine Habilitationsschrift "Die politische Theorie des Neoliberalismus" (Suhrkamp), 2018 und, erweitert, 2022 "Geistig-moralische Wende: Die Erschöpfung des deutschen Konservatismus" (Matthes & Seitz). Sein aktuelles Buch heißt: "Mitte/Rechts: Die internationale Krise des Konservatismus" (Suhrkamp 2023).

Olaf Sundermeyer, Jahrgang 1973, arbeitet als ARD-Reporter im Investigativteam des rbb. Er hat in Bochum Rechtswissenschaften und in Dortmund Journalistik studiert. Die Schwerpunkte seiner Recherchen sind Rechtsextremismus, Clankriminalität und Innere Sicherheit. Zu seinen Büchern gehören: "Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt" (2012), "Bandenland. Deutschland im Visier von organisierten Kriminellen" (2017) und "Gauland. Die Rache des alten Mannes" (2018, alle C.H. Beck).

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Debatte mit Natascha Freundel & Gästen - Der Zweite Gedanke

Hier wird nicht nur debattiert, hier wird auch zusammen nachgedacht. Über alles, was unser Miteinander betrifft. Bildung, Digitalisierung, Demokratie, Einsamkeit, Freiheit, Klima, Kultur, Städtebau, Visionen - die Themen liegen in der Luft, nicht erst, aber besonders deutlich seit der Corona-Pandemie. Jede Folge widmet sich einer Frage unserer Zeit. radio3-Redakteurin Natascha Freundel spricht jeweils mit zwei Gästen, die wissen, wovon sie reden. Philosophisch, aber nie abgehoben. Persönlich, aber nicht privat. Kritisch und konstruktiv. Hier soll es nicht knallen, sondern knistern. Immer auf der Suche nach dem zweiten, neuen Gedanken.