Oukan Dining © Thomas Platt
Bild: Thomas Platt

Vegane japanische Küche in Berlin-Mitte - "Oukan"

Bewertung:

Das "Oukan" ist bestimmt nicht das vegetarischste unter den vegetarischen Restaurants der Stadt und es ist ebenfalls nicht das veganste der veganen. Denn das modernistische Restaurant in einem Ballsaal vis-à-vis der Ackerhalle trägt die damit verbundenen Beschränkungen nicht vor sich her. Dafür entstehen aus seinen "hochwertigen saisonalen und regionalen sowie meist Bio-zertifizierten Produkten" feine und immer originelle Gerichte.

Damit machen Chefkoch Timur Yilmaz und sein Vize Paul Kaufmann, "Head of Fermentation & Test Kitchen", den kulinarischen Platzhirschen der Stadt Konkurrenz. Dass man den Abend in einem veganen Lokal verbracht hat, fällt einem frühestens am nächsten Tag wieder ein.

Modernistischer Geist trifft auf abstrakte Gerichte

Der minimalistische Touch dieses in mattem Schwarz gehaltenen Ambientes signalisiert es schon: Hier herrscht ein durch und durch moderner, ja modernistischer Geist. Anlehnungen an Fleisch und Fisch, sonst unbeirrbar im Zentrum, kommen schlicht nicht vor. In der beim Weg zum Gastraum einsehbaren Küche werden Gerichte hergestellt, die aus eigenem Recht zu existieren scheinen. Sie sind nicht nur in sich schlüssig und extrem delikat, sondern auch wesentlich abstrakter als die meisten Speisen, denen man in anspruchsvollen Restaurants begegnet.

Selten werden konkrete Bezüge sichtbar. So gut wie nichts außerhalb des Tellers wird repräsentiert oder in der Form imitiert. Sogar in geschmacklicher Hinsicht gilt das. Also kommen kaum sozusagen reinen Töne vor, die direkt von einzelnen Grundstoffen herrühren könnten oder sie vor Augen rufen. Neben dem enormen Vorstellungs- und Formbildungsvermögen des Küchenteams liegt das ganz wesentlich an der mikrobiellen Umwandlung von Lebensmitteln mit Hilfe der Fermentationstechnik. Sie, die viele lediglich vom Sauerkraut her kennen, bildet den Frischeeindruck von Milchsäure aus sowie reichlich Umami. Dieser sogenannte fünfte Geschmack bewirkt eine Intensivierung. Er lässt Speisen würzig, tief und anhaltend, kurzum attraktiver erscheinen. Im Grunde ist Umami sozusagen der Botenstoff für hochwertige, proteinreiche Nahrung.

Oukan Dining © Thomas Platt
Bild: Thomas Platt

Umami-Radau

An all das muss man überhaupt nicht denken, wenn mit "Kräuterseitling & Kosho" oder "Chawanmushi & Erbsen" die beiden ersten Gänge des Menüs (85 Euro) aufgetragen werden. Erstere wirken wie aus der Betäubung geholt. Die Kräuterseitling-Stämme wurden für 36 Stunden zwischen Kombu-Blättern im Vakuum milchsauer vergoren. In dieser Phase der Zubereitung diffundiert auch das charakteristische Umami der Algen ins glatte Pilzfleisch. Auf dem Teller wird es dann von ostentativer Frische aufgeweckt. Sie stammt von gehobelten, in Bärlauchöl marinierten Kohlrabischeiben in Grapefruit-Limette-Zitronen-Dressing. Als wäre das noch nicht Radau genug, alarmiert ein bitter-scharfes "Koshō" die Sinne. Es besteht aus Chili, Ingwer, Kaffir, Zitronengras und Koriandersamenöl. Anstelle des üblichen Yuzu tönen harzige Noten die Würzpaste ab.

Beim "Chawanmushi & Erbsen" aromatisieren Yilmaz und Kaufmann eine vegane Interpretation des japanischen Eierstichs mit drei teilweise geräucherten Seetang-Arten, leicht gurkigen Oyster Leaves, Meerfenchel und Dashi-Pulver. Wie Miso, Soyasauce und der daneben liegende Algenkaviar werden solche Ingredienzen mit großem Engagement im Haus hergestellt. Diesem maritimen Milieu tritt mit blanchierten jungen Erbsen frisch aus der Schote ein vegetabiles, noch von Estragonöl betontes Element gegenüber.

Oukan Dining © Thomas Platt
Bild: Thomas Platt

Gesteigerter Genuss

Gereifter Sake, Portwein, Wacholderholz und Vanillemark betten die "Henne des Waldes" in Saft. Tatsächlich ähnelt diese dunkle Reduktion zum konfierten und mit Miso glasierten Maitake-Pilz in der Wirkung einer klassischen Demi glace. Obwohl man den Braten zu riechen meint und zwischen so etwas wie Fleisch, handelt es sich um eine parallele Erscheinung, die keine Kompromisse eingeht.

Wenn in vielen vegan versorgten Orten die Kasteiung zum Thema wird, so hier der gesteigerte Genuss, ebenfalls ein parallel laufendes Phänomen. Man kann als echter Foodie mit großem kulinarischen Interesse ins "Oukan" gehen – aber genauso gut als jemand, der bloß großen Spaß haben will an essen, trinken und reden. "Sake & Fichte", ein Sorbet aus Sake-Pressrückständen mit Fichtensprossen-Granité, eint schließlich beide Lager.

Thomas Platt, rbbKultur

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