Pflaumen im Bio-Markt © Elisabetta Gaddoni
Bild: Elisabetta Gaddoni

Zeit für Zwetschgenkuchen und Herzhaftes mit süßer Note - Pflaumen zum Sommerabschied

Wenn in den Regalen im Supermarkt oder am Marktstand Pflaumen, Renekloden, Mirabellen und Zwetschgen angeboten werden, ist das eine klare Botschaft: Der Sommer ist bald vorbei. Ende August erreicht die Pflaumenzeit ihren Höhepunkt, und dieses nahrhafte, oft unterschätzte Obst bietet gerade jetzt eine große geschmackliche Vielfalt - von süß und saftig bis süß-säuerlich und herb. Ideal nicht nur für die Klassiker Zwetschgenkuchen und Kaiserschmarrn, sondern auch für herzhafte Salate, Fleisch- und Fischgerichte.

Eine Café-Terrasse, ein Stück Pflaumenkuchen, eine Wolke Wespen, die erregt über dem Tisch schwärmen: eine typische Erscheinung des Monats August, nicht nur hierzulande ...

Genügsame Früchte

Pflaumen sind genügsame Früchte: Es heißt, dass sie überall wachsen - mit Ausnahme der Antarktis. Von den über 2.000 Sorten, die bekannt sind, kommen nur um die 50 für den menschlichen Genuss in Frage. Hier bei uns sind es vor allem Zwetschgen: Sie sind eine Unterart der Pflaume und man erkennt sie an der länglichen, ovalen Form, an der blau-violetten Farbe und am weißen Schimmer, der sie vor dem Austrocknen schützt. Mit ihrem festen Fleisch und ihrem ausgeglichenen Verhältnis von Süße und Säure eignen sich Zwetschgen hervorragend sowohl für Süßspeisen als auch für herzhafte Gerichte wie zum Beispiel Linsensalat, Huhn-Tajine oder Kabeljau mit Pflaumen und Pinienkernen.

Im Orient beliebt, im Westen unterschätzt

Pflaumen sollen, so wie viele anderen Früchte, aus Mesopotamien stammen: Alexander der Große soll sie auf dem Rückweg von seinen Kriegszügen mitgebracht haben, dabei Damaskus zum Zentrum des Pflaumenhandels gemacht. Das erklärt, warum Pflaumen, Zwetschgen und Mirabellen eine beliebte Zutat der orientalischen Küche sind: Sie werden gerne zu Fleisch und anderen herzhaften Speisen gegessen, meist allerdings in getrockneter Form hinzugefügt, wie zum Beispiel im persischen Huhn mit Pflaumen, das einer Graphic Novel und einem Film der bekannten iranisch-französischen Autorin Marjane Satrapi den Namen gibt.

In diesem Film geht es um einen melancholischen Musiker, dem nicht mal sein Lieblingsgericht Hühnchen mit Pflaumen, Perlzwiebeln, Tomaten, Kurkuma, Safran und Reis, die verlorene Liebe vergessen lässt. "Alu Bokharai" sind eigentlich getrocknete, saure Mirabellen, die eingeweicht und mitgegart werden. In Japan werden Pflaumen salzig eingelegt und fermentiert: Das Ergebnis ist Umeboshi, eine der wichtigsten Zutaten der japanischen Esskultur.

Auch in China genießen Pflaumen hohes Ansehen - anders als bei uns - gilt. Während hierzulande die Bezeichnung "Pflaume" für Versager oder Dummkopf steht, bedeutet der Pflaumenbaum im Fernosten Glück und Erfolg. Selbst Powidl, das hervorragende österreichische Pflaumenmus, erfährt in der Sprache seiner Heimat eine gewisse Geringschätzung: "Das ist mir Powidl" heißt so viel wie "Ist mir Wurst", also egal.

Zwetschgenkuchen © Elisabetta Gaddoni

Vielseitig, aromatisch, gesund

Dabei begleiten beliebte Gerichte mit Pflaumen seit jeher auch viele reale oder fiktive Protagonisten der europäischen Literatur: Goethes Wilhelm Meister klaute sie als Kind aus der Vorratskammer, Jules Vernes Expedition zum Mittelpunkt der Erde konnte er nach einem üppigen Mahl mit "Kalbsnierenbraten mit Pflaumenkompott" angegangen werden. Und in Tolstois "Anna Karenina" wird die wiederkehrende Suppe mit gebackenen Pflaumen zum heilenden, versöhnenden Gericht erklärt.

Dass Pflaumen heute bei uns unterschätzt werden, hat eigentlich keinen Grund - außer, dass sie nicht exotisch und teuer wie anderes sogenanntes Superfood sind. Pflaumen, egal welche Sorten, sind durch ihren hohen Gehalt an Vitaminen, Kalzium, Magnesium, Kalium und Ballaststoffen nahrhaft und gesund. Sie sind in der Regel nicht teuer, im Spätsommer regional zu beziehen und Zutat von unzähligen köstlichen Spezialitäten: von Zwetschendatschi mit Hefeteigboden bis Buchteln mit Powidl-Füllung, von Pflaumen-Brot-Pudding bis Kaiserschmarrn.

Das Backen von Zwetschgenkuchen in dieser Zeit gehört zu den Ritualen, die trotz Wespen und geringerer Ernte wie in diesem feuchten Sommer mindestens einmal vollzogen werden müssen. Als Beweis gilt Marian Burros’ "Plum Torte": 1983 in der "New York Times" erschienen, musste das Rezept der Food-Kolumnistin jahrzehntelang zum Ende des Sommers immer wieder gedruckt werden, weil die Leserschaft es verlangte. Das sehr einfache Rezept zeigt, dass Pflaumen wenig weitere Zutaten brauchen, um das Beste von sich zu geben.

Elisabetta Gaddoni, rbbKultur

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